domradio.de: 1994 hatte Papst Johannes Paul II. die Debatte über Weiheämter für Frauen in der katholischen Kirche für "endgültig beendet" erklärt - jetzt hat Franziskus angekündigt, die Zulassung von Frauen zum niedrigsten dieser Weiheämter - also zum Diakon - neu diskutieren zu lassen. Was bedeutet das in Ihren Augen?
Irmentraud Kobusch (Stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands): Schon 1974 hat die Würzburger Synode die deutschen Bischöfe gebeten, sich beim Papst dafür stark zu machen, dass die Frage nach dem Diakonat noch einmal neu geprüft wird. Denn viele Theologinnen und Theologen sind überzeugt, dass das Verbot der Priesterweihe nicht automatisch auf das Diakonat zu übertragen ist. Und von daher ist für viele von uns seit Jahrzehnten die Frage nach dem Diakonat immer noch offen und immer noch ein Punkt, von dem wir glauben, die Kirche hätte die Möglichkeit, das Diakonat der Frau einzuführen. Und darum freuen wir uns jetzt so sehr, dass der Papst dieses Gespräch eröffnet und bereit ist, eine Kommission einzusetzen, um die Frage zu prüfen.
domradio.de: Sie selbst engagieren sich ja schon lange für eine Zulassung von Frauen als Diakoninnen - im Netzwerk "Diakonat der Frau". Schöpfen Sie jetzt neue Hoffnung?
Kobusch: Ich glaube schon, dass wir Hoffnung schöpfen können. Wir verknüpfen mit dieser Hoffnung aber natürlich den nachdrücklichen Wunsch, dass wir das sakramentale Diakonat der Frau erwarten. Wir wären nicht zufrieden, wenn es ein Diakonat gäbe, das nicht Teil des Weiheamtes ist. Das würde uns nicht reichen. Wir wünschen uns, dass Frauen, die sich dazu berufen fühlen, als Diakoninnen der Kirche Ihre Charismen einbringen und dass Frauen als geweihte Diakoninnen an der Seite der Armen von diesem wunderbaren Amt Zeugnis abgeben, das das Diakonenamt eigentlich ist.
domradio.de: Noch ist ja völlig unklar, was für konkrete Schritte aus der Äußerung des Papstes folgen werden. Naheliegend wäre ja die Einberufung einer Kommission, die sich damit beschäftigt, welche Rollen und Ämter Frauen im frühen Christentum hatten und welche Konsequenzen daraus für heute zu ziehen sind. Wen sollte der Papst in Ihren Augen in eine solche Kommission berufen?
Kobusch: Es sollten Theologinnen und Theologen sein, die sich klar und seit langem intensiv mit der Frage nach dem Diakonat der Frau beschäftigt haben. Das betrifft nicht nur seine Geschichte. Wir können an eine Geschichte anknüpfen. Aber auch andere Ämter haben sich im Lauf der Kirchengeschichte weiterentwickelt. Wir brauchen auch darin Menschen, die dogmatisch und ekklesiologisch, also was das Wesen der Kirche angeht, nach vorne und in Richtung Zukunft denken wollen. Und ich denke, wir brauchen Frauen in dieser Kommission, damit nicht nur Männer – Wissenschaftler, Theologen – über dieses Thema reden. Da gibt es viele kompetente Frauen. Und ich wünsche mir – aus Sicht des Netzwerkes "Diakonat der Frauen" - dass die Erfahrungen, die wir mit Frauen gesammelt haben, die ihrer Berufung zum Diakonenamt nachgespürt haben, hier mit einfließen können.
Es wird ja oft gesagt: "Man müsste noch mal überlegen, wie das Diakonat der Frau aussehen kann." Wir haben vom Netzwerk 23 Frauen Fähigkeiten vermittelt, die aus unserer Sicht eine Diakonin der Zukunft braucht. Diese Frauen leben eine Berufung, sehnen sich nach Bestätigung ihrer Berufung und haben natürlich längst Erfahrungen gesammelt, ehrenamtlich, überall da, wo sie in der Kirche aktiv sind. Und dieses Erfahrungswissen, diese Lebenszeugnisse der Frauen geben der Forderung nach dem Diakonat der Frau jetzt schon ein Gesicht. Ich wünsche mir, dass es eine Möglichkeit geben wird, dass diese Erfahrungen in dem Suchprozess fruchtbar gemacht werden können, den der Papst jetzt einleiten will.
domradio.de: Die Mühlen der Kirche mahlen sehr langsam – und selbst, wenn die Kommission wirklich kommt, ist ja noch lange nicht gesagt, dass die sich am Ende für ein Diakonat der Frau ausspricht und dann tatsächlich Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können. Was glauben Sie, wie der Prozess jetzt vorankommt?
Kobusch: Ich wünsche mir, dass der Prozess zügig vorangeht. Denn die Situation der Kirche und die Glaubwürdigkeit der Kirche fordert es. Sie fordert es, weil wir ein geschlechtergerechteres Gesicht der Kirche brauchen. Sie fordert es aber auch, weil wir ein diakonischeres Gesicht der Kirche brauchen. Und für uns verbinden sich ja diese beiden Visionen für die Zukunft der Kirche im Diakonat der Frau – Geschlechtergerechtigkeit und eine deutliche Option für die Armen. Das sagt der Papst auch immer wieder. Von daher wünsche ich mir, dass das nicht zu lange geht – zumal die Argumente eigentlich alle auf dem Tisch sind. Man braucht sie nur zusammenzuführen. Die Sachen sind eigentlich längst klar. Die katholische Kirche hätte die Möglichkeit, Frauen zu Diakoninnen zu weihen.
domradio.de: Werden wir das noch erleben?
Kobusch: Ich hätte vor ein paar Wochen gesagt: "Ich weiß es nicht!" – Mit dem, was wir gestern vom Papst erfahren haben, habe ich Hoffnung, dass ich es vielleicht doch erleben werde.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.