Kieler Debatte um einen Gottesbezug in der Landesverfassung

"Das ist nicht die Gretchenfrage"

Eigentlich herrscht große Einigkeit in Schleswig-Holstein über die neue Landesverfassung, einzig umstritten bleibt die Frage nach einem Gottesbekenntnis in der künftigen Präambel.

Autor/in:
Esther Geißlinger
Verfassung im Kleinformat (dpa)
Verfassung im Kleinformat / ( dpa )

Die Rolle von Minderheiten soll gestärkt werden, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen wird als Ziel benannt, und es wird vermutlich einfacher, Volksbegehren durchzusetzen: In diesen und einer Reihe anderer Punkte soll Schleswig-Holsteins Landesverfassung geändert werden.

Einzig umstritten bleibt die Frage, ob in der künftigen Präambel zum Verfassungstext ein Bekenntnis zu Gott eingefügt wird. Das wurde nochmals am Mittwoch in der ersten Lesung im Kieler Landtag deutlich.

Namentliche Abstimmung nach der Sommerpause

Ein interfraktioneller Ausschuss, der ein Jahr lang Fragen und Vorschläge der Verfassungsreform beraten hatte, konnte sich nicht auf den Gottesbezug einigen. Die 69 Abgeordneten der sechs Parteien werden darüber namentlich abstimmen - nach der Sommerpause und nachdem alle Punkte in den Fraktionen nochmals beraten worden sind.

"Es geht nicht um eine bestimmte Religion, sondern um ein Bekenntnis, das auch ein nicht-religiöser Mensch akzeptieren kann", sagte Parlamentspräsident Klaus Schlie in der Debatte am Mittwochmittag. Der CDU-Abgeordnete hatte den Verfassungsausschuss geleitet und ist Befürworter des Gottesbezugs.

Ministerpräsident Albig befürwortet Gottesbezug

Unterstützung erhielt er unter anderem von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Eine Verfassung ohne einen solchen Bezug könne er sich nicht vorstellen. "Es muss einen Bezug geben zu etwas, das mehr ist als der Mensch", so der evangelische Christ. Entscheidend sei, dass sich die Mehrheit der Menschen im Land "auf etwas zurückführt, das mehr ist als sie selbst". Und das sei in Schleswig-Holstein der Fall.

Dabei sei es egal, ob es sich um Christen, Muslime, Juden oder Mitglieder einer anderen Religion handele. Wenn sich dagegen Menschen nur auf menschliche Kraft und Intellekt verließen, "wissen wir, wohin das führt", sagte er mit einem Verweis auf die deutsche Geschichte.

Diese von Albig gezogene historische Verbindung nannte Wolfgang Kubicki (FDP) "ungehörig". Er werde gegen den Gottesbezug stimmen, denn "Gott gehört nicht in die Verfassung, er gehört ins Leben eines jeden Menschen". Die Verfassung sei ein Verwaltungsinstrument, sie solle keine Werte setzen.

Stegner: Alle haben gute Gründe

Ähnlich argumentierten die Grünen-Abgeordneten Eka von Kalben und Anke Erdmann, die sich zu ihrem christlichen Glauben bekannten, aber gegen einen Gottesbezug in der Verfassung aussprachen: "Dies ist nicht die Gretchenfrage - das Abstimmungsverhalten sagt nicht, wie man es persönlich mit der Religion hält", sagte Erdmann. Kai Dolgner(SPD) verwies auf das zweite Gebot. Es sei nicht nötig, Gottes Namen zu gebrauchen.

Andere Redner wie Johannes Callsen (CDU) betonten die grundlegenden Werte der Gesellschaft und dass die Mehrheit der rund 2,8 Millionen Schleswig-Holsteiner einer Kirche angehöre. Ralf Stegner (SPD) appellierte ähnlich wie Parlamentspräsident Schlie für gegenseitige Toleranz: "Alle haben gute Gründe für ihre Meinung. Keine steht höher als andere."


Quelle:
KNA