Kinderpatenschaften sollen der Entwicklungshilfe ein Gesicht geben

Beliebt, aber umstritten

In Deutschland vermitteln unter anderem die Kindernothilfe, WorldVision und Plan Deutschland Patenschaften. Sie unterstützen darüber fast eine Million Jungen und Mädchen. Pate zahlt etwa 30 Euro im Monat. Immer wieder stoßen die Kinderpatenschaften aber auch auf Kritik.

Autor/in:
Marcus Mockler
 (DR)

Simon, 11, liebt Fußball und malt gern. Der stille Junge mit dem lausbübischen Lächeln kommt aus einer armen Familie in der Nähe des Kilimandscharo in Tansania. In einer Region, wo der Durchschnittsverdienst bei umgerechnet sieben Euro im Monat liegt, können viele Kinder nicht in die Schule gehen. Doch Simon hat Glück: Vor kurzem wurde für ihn ein Pate in Deutschland gefunden, der seine Ausbildung und gesundheitliche Betreuung finanziert.

Für jeden neuen Spender, der bei "Compassion" (Mitgefühl) eine Kinderpatenschaft übernimmt, wirft Steve Volke in Marburg ein Senfkorn in ein Glas auf seinem Schreibtisch. Das Hilfswerk ist in Deutschland der jüngste Anbieter von Patenschaften in Entwicklungsländern und wirbt seit dem vergangenem Jahr für sein Anliegen. International ist die in den USA gegründete christliche Organisation seit 1952 aktiv und fördert nach eigenen Angaben inzwischen über eine Million Kinder in 24 Ländern.

Kritik
Immer wieder stoßen die Kinderpatenschaften auf Kritik. So heißt es etwa, Kinder würden zur Spendenwerbung instrumentalisiert. Die Erziehungswissenschaftlerin Annette Scheunpflug von der Universität Erlangen schrieb 2005 in einer Untersuchung, manche Materialien der Hilfsorganisationen vermittelten den Eindruck, dass sich die Spender Wunschkinder aussuchen könnten.

Volke von "Compassion" hat mit dieser Kritik kein Problem. Seine Organisation stellt Fotos bedürftiger Kinder mit Einwilligung der Eltern ins Internet. Spender können sich durch die Seiten klicken, bis sie ein Kind gefunden haben, das sie fördern wollen. Volkes Argument: "Bei Patenschaften geht es nicht nur um Geld, sondern um Beziehungen. Wenn Paten beispielsweise ein Kind auswählen, das denselben Geburtstag hat wie ihr eigenes Kind, dann denkt die ganze Familie automatisch häufiger an die Patenschaft und findet oft kreative Wege der Unterstützung."

Patenschaftsprogramme sind teurer als andere Formen der Entwicklungshilfe. Kinder und Paten schreiben einander Briefe, die jeweils übersetzt werden müssen. Die Paten bekommen regelmäßig Berichte über Gesundheit und Bildungsfortschritte. Auch das hat seinen Preis. Die Patenorganisationen halten dies aber für vertretbar, um Spender langfristig bei der Stange zu halten.

Die Vermittler von Kinderpatenschaften haben dazu gelernt
Selbst Besuche beim Patenkind vor Ort machen viele Hilfsorganisationen möglich. Allerdings nur mit umfassender Betreuung durch lokale Mitarbeiter. So sollen Pädophile keine Möglichkeit haben, über Patenschaften an Kinder heranzukommen. Dass ein Kind seinen Paten in Deutschland besucht, wird grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Vermittler von Kinderpatenschaften haben dazu gelernt: Sie wecken schon lange nicht mehr den Eindruck, als flösse das Geld der Paten ausschließlich dem einzelnen Kind zu. Vielmehr machen die Organisationen deutlich, dass damit auch die Lebensverhältnisse der gesamten Dorfgemeinschaft, vom Brunnen bis zur neuen Schule, verbessert werden.

Bei Volke liegen knapp 1.600 Senfkörner im Glas. Dass Patenschaften für junge Menschen wie Samen aufgehen können, zeigte ihm eine Begegnung auf dem evangelischen Kirchentag im Mai in Bremen. Dort kam der Bischof einer kenianischen Kirche an den "Compassion"-Stand, der durch eine von der Organisation vermittelte Patenschaft studieren konnte.