Im Zuge jüngst ans Tageslicht gekommener Missbrauchsvorwürfe hat Boliviens katholische Bischofskonferenz nun eine nationale Untersuchungs- und Anhörungskommission angekündigt. Das Gremium solle "die Verantwortlichkeiten klären und sichtbar machen, was geschehen ist", zitiert das Portal "Los Tiempos" aus dem Schreiben vom Mittwoch (Ortszeit).
Unzureichende Bemühungen
Die Bischöfe räumen ein, dass bisherige Bemühungen unzureichend gewesen seien. Die Kirche habe den Gläubigen und der Gesellschaft nicht die Antworten gegeben, die hätten gegeben werden müssen. Die Anstrengungen für Prävention würden nun erhöht, damit die Familien künftig Gewissheit hätten, dass Kinder und Jugendliche im kirchlichen Umfeld sicher seien.
Die Entscheidung fiel nach dem Eilbesuch des spanischen Geistlichen Jordi Bertomeu Farnos, der nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen im Jesuitenorden von Papst Franziskus nach Bolivien entsandt worden war. Bekannt wurde der Experte, als er 2018 zusammen mit dem vatikanischen Chefaufklärer, Maltas Erzbischof Charles Scicluna, das Ausmaß des Missbrauchsskandals in Chile aufdeckte.
Schule im Zentrum des Skandals
Bertomeu schlägt allerdings erst mal Misstrauen entgegen: Der Vorstand der nationalen Vereinigung ehemaliger Schüler der Schule "Juan XXIII", die im Zentrum des Skandals steht, lehne die Anwesenheit päpstlicher Gesandter zur Untersuchung dieser Art vonVerbrechen in Bolivien ab, berichtet "El Deber".
"Als eine Vereinigung, die viele der Opfer im Fall der spanischen Jesuiten Alfonso Pedrajas, Francesc Peris, Francisco Pifarre und des Bolivianers Carlos Villamil Olea vereint, lehnen wir jede päpstliche Kommission ab, die versucht, die Schwere dieser Verbrechen über die Würde der Opfer zu stellen", zitiert die Zeitung aus einer Erklärung der ehemaligen Schüler. Bildungsminister Edgar Pary kündigte unterdessen an, dass alle Vereinbarungen mit den von der katholischen Kirche verwalteten Schulen überprüft würden.
"Wir schämen uns für diese Situation."
Den Stein ins Rollen gebracht hatten Recherchen über einen 2009 gestorbenen spanischen Priester, Alfonso Pedrajas. Der Jesuit soll in den 80er Jahren Dutzende Minderjährige missbraucht haben. Die Zeitung "El Pais" hatte Zugang zu seinem Tagebuch, das auch Hinweise auf ein Netzwerk von Vertuschungen geben soll.
Inzwischen gibt es weitere Vorwürfe gegen verstorbene Angehörige des Ordens. In einer ersten Reaktion bedauerten die bolivianischen Jesuiten "das den Opfern zugefügte Leid" und erklärten: "Wir schämen uns für diese Situation." "Los Tiempos" berichtete, dass Bolivien Interpol eingeschaltet habe, um einen Priester zu suchen, der sich nach Argentinien abgesetzt habe, um sich einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft zu entziehen.
Präsident fordert Archiveinsicht
Staatspräsident Luis Arce hatte sich zuletzt direkt an den Papst ("Bruder Franziskus") gerichtet und den Vatikan per Brief offiziell aufgefordert, der bolivianischen Justiz Zugang zu den Kirchenarchiven im Land zu gewähren. Zudem wolle die Regierung Informationen über den Hintergrund jener Ordensleute erhalten, die künftig ins Land kommen.
Auch wolle man die derzeit geltenden Abkommen überprüfen und später dann ein neues bilaterales Abkommen mit dem Heiligen Stuhl verhandeln, hieß es. Der Staat behalte sich das Recht vor, künftig darüber zu entscheiden, ob neue ausländische Priester und Ordensleute ins Land gelassen werden, die sich in der Vergangenheit sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben.
Viele ausländische Seelsorger
Das Thema ist in Bolivien auch deshalb besonders heikel, weil dort der Anteil ausländischer Seelsorger viel höher ist als in den meisten anderen Ländern Lateinamerikas. Es gibt nur wenige einheimische Priester und Bischöfe; ohne Ausländer wäre die Seelsorge dort kaum zu gewährleisten.