Kirche in El Salvador spricht vier Glaubenszeugen selig

"Wir sind eine Kirche des Martyriums"

In El Salvador bestimmte am Wochenende ein Ereignis die Schlagzeilen: Am Samstag wurden vier Männer seliggesprochen, deren gewaltsamer Tod in die Anfangsphase eines Bürgerkriegs fällt, dessen Erbe bis heute spürbar ist.

Autor/in:
Tobias Käufer und Joachim Heinz
Kirche San Jose in El Paisnal, Wirkungsstätte des Jesuiten Rutilio Grande, El Salvador / © Joachim Heinz (KNA)
Kirche San Jose in El Paisnal, Wirkungsstätte des Jesuiten Rutilio Grande, El Salvador / © Joachim Heinz ( KNA )

Für Kardinal Gregorio Rosa Chavez war der Moment der Seligsprechung auch ein Augenblick der Besinnung auf die Geschichte El Salvadors. "Die Menschen sehen in den Seliggesprochenen ein Bild ihres eigenen Lebens - ihrer schweren Zeiten, aber auch ihrer Freude." Seit Samstag, 17.40 Uhr Ortszeit sind Rutilio Grande, Nelson Rutilio Lemus, Manuel Solorzano und der italienische Missionar Cosme Spessotto nun offiziell seliggesprochen.

Zu der Zeremonie in der Hauptstadt San Salvador kamen Medienberichten zufolge rund 5.000 geladene Gäste. Seit Tagen schauten die Menschen in dem immer wieder von Konflikten erschütterten mittelamerikanischen Land auf dieses Ereignis. Fast alle salvadorianischen Medien brachten die Nachricht an prominenter Stelle.

Gregorio Rosa Chavez / © Barbara Mayrhofer (KNA)
Gregorio Rosa Chavez / © Barbara Mayrhofer ( KNA )

Schrecklicher Bürgerkrieg

Die vier Männer wurden 1977 beziehungsweise 1980 getötet. Die Morde fielen in den Beginn eines blutigen Bürgerkriegs in El Salvador, der erst am 16. Januar 1992 mit dem Friedensvertrag von Chapultepec endete. Wie könne man vergessen, was der schreckliche Bürgerkrieg mit sich gebracht habe, fragte Kardinal Rosa Chavez. Hass, Rache, Schmerz, Zerstörung, Terror, Tod, Verleumdung, Blutvergießen, Stigmatisierung seien Bestandteile des großen Leids, das El Salvador erfahren habe.

Wer will, konnte daraus eine indirekte Kritik an El Salvadors Präsident Nayib Bukele erkennen, der künftig den Gedenktag zur Unterzeichnung des Friedensvertrages nicht mehr den Friedensstiftern von damals, sondern beinahe ausschließlich den Opfern widmen will. Es gelte den "Geist der Friedensverträge" wiederherzustellen, hieß es dann auch auf der "Plaza Divino Salvador del Mundo", wo die Seligsprechung stattfand.

"Die Armen in der ersten Reihe"

Seligsprechung

Bei einer Seligsprechung stellt die katholische Kirche durch Urteil des Papstes fest, dass ein gestorbener Mensch vorbildlich aus dem Glauben gelebt hat und Christus in besonderer Weise nachgefolgt ist. Daraus ergibt sich die offizielle Empfehlung, diese Person als Vorbild und Fürsprecher bei Gott anzunehmen. Selige werden im Gegensatz zu Heiligen nur regional verehrt. Der Seligsprechung kann aber eine Heiligsprechung und damit die weltweite Verehrung der betreffenden Person folgen.

Unterlagen zum Seligsprechungsverfahren / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Unterlagen zum Seligsprechungsverfahren / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

"Mit Romero und Rutilio stehen die Armen in der ersten Reihe", war auf einem Plakat zu lesen. Ein überlebensgroßes Bild der vier Seligen stand neben dem Altar und wurde mit der hereinbrechenden Dunkelheit angestrahlt. Auf dem Platz stünden viele, die institutionalisierte Gewalt, die Gewalt des bewaffneten Konflikts und die alltägliche Gewalt aus erster Hand erlebt hätten, sagte Rosa Chavez. "Wir sind eine Kirche des Martyriums."

Die Ermordung des Jesuiten Rutilio Grande sowie der beiden Laien Manuel Solorzano und Nelson Rutilo Lemus im März 1977 sollte ausschlaggebend sein für eine Wende im Leben des damaligen Erzbischofs von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero: Er setzte sich fortan lautstark für den Schutz der Armen und Rechtlosen in El Salvador ein. Am 24. März 1980 wurde er ermordet. Dieses Attentat wurde zum Fanal für den Bürgerkrieg. 2018 heiliggesprochen, gilt Romero in El Salvador inzwischen als Nationalheld.

Würdigungen für das Wirken der Seliggesprochenen

Bereits im Vorfeld der Seligsprechung hatten Vertreter von deutschen Hilfswerke das Wirken von Rutilio Grande und der drei anderen Männer gewürdigt. "Sie stehen für den Neuaufbruch der lateinamerikanischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil", schrieb der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Martin Maier, in der "Herder Korrespondenz". "Sie stehen für eine missionarische Kirche, die an die Peripherie, an die sozialen und existentiellen Ränder gegangen ist. Sie stehen für eine verfolgte Kirche, die zahlreiche Märtyrer für Glaube und Gerechtigkeit hervorgebracht hat", so der Jesuit, der selbst lange Jahre in dem Land tätig war.

Der Länderreferent von Misereor, Benjamin Schwab, zeigte sich in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) besorgt über die jüngsten Entwicklungen in El Salvador. "Die Kirche hat stets zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog aufgerufen", sagte Schwab. "Sie steht aber zunehmend auch selbst unter Druck, weil sie wiederholt einen Rückbau der demokratischen Strukturen kritisiert hat." Dass Präsident Bukele bei der Seligsprechung zugegen war, dürfte daran wohl nicht viel ändern.

Quelle:
KNA