Armuts- und Reichtumsbericht konstatiert Verfestigung von Armut

Kirche fordert bessere Perspektiven

Das Bundeskabinett hat den 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verabschiedet. Als arm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt. Mahnende Worte kamen von der katholischen Kirche.

Autor/in:
Christoph Scholz
Symbolbild Armut / © Khamidulin Sergey (shutterstock)

Unter dem Titel "Lebenslagen in Deutschland" stellt er fest, dass zwar der überwiegende Teil der Bevölkerung in "stabilen sozialen Lagen" lebt, aber zugleich eine Verfestigung der Armut stattfinde. Während für 75 Prozent das Einkommen gleichgeblieben oder sogar gestiegen sei, belaste die Pandemie finanziell vor allem die Einkommensschwachen.

Zudem blieben die Aufstiegschancen in die untere Mittelschicht auf einem konstant niedrigen Niveau.

"Licht und Schatten"

Das Bundessozialministerium legt den Bericht alle vier Jahre vor. Als arm gilt demnach, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt. Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) sprach von "Licht und Schatten". Vor der Pandemie hätten alle Einkommensbereiche von der günstigen Wirtschaftsentwicklung profitiert, auch im unteren Bereich. Die Stundenlöhne bei den Beschäftigten im untersten Zehntel seien in den vergangenen Jahren am stärksten gestiegen.

Allerdings hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten die "Armutslagen" verfestigt. Für Langzeitarbeitslose und Menschen in prekärer Beschäftigung fehle es an Aufstiegschancen. Zugleich warnte er vor einer Polarisierung der Gesellschaft, weshalb der soziale Zusammenhalt gestärkt werden müsse. Laut Bericht liegt die Wahrscheinlichkeit für arme Menschen, in den nächsten fünf Jahren in ihrer prekären Lage zu verbleiben, bei 70 Prozent. Dasselbe gelte für einen hohen Anteil von Kindern in Armut, die sich auch im jungen Erwachsenenalter nicht daraus befreien könnten.

Die Studie hebt die Bedeutung der sozialen Daseinsvorsorge beim Kampf gegen Armut hervor. Besonders wirksam seien Angebote in der frühen Lebensphase. Der Bericht warnt zugleich davor, dass dauerhaft niedrige Verdienste auf lange Sicht Folgen für den demokratischen Prozess haben könnten. Menschen mit geringem Einkommen würden sich eher selten freiwillig oder politisch engagieren.

Die Opposition und Sozialverbände forderten die Regierung zu mehr Entschiedenheit auf. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, nannte es "unwürdig und inakzeptabel", dass die Ungleichheit schon bei den Kleinsten anfange. Die Sozialexpertin der Links-Partei Kaja Kipping warnte angesichts der Ungleichheit vor einem "Sprengsatz an den Grundpfeilern der Demokratie".

Deutsche Bischofskonferenz warb für sozialpolitische Maßnahmen

Die Deutsche Bischofskonferenz warb für sozialpolitische Maßnahmen zur Minderung der Armut. Menschen am unteren Rand der Gesellschaft bräuchten bessere Perspektiven, mahnte Sozialbischof Franz-Josef Overbeck am Mittwoch. Zugleich rief der Essener Bischof zu mehr Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Generationen auf. Nach den Worten des Freiburger Erzbischofs Stephan Burger, muss der Sozialstaat auch in Zukunft alles daransetzen, "mit der sozialen Infrastruktur und Einrichtungen der Daseinsvorsorge die Menschen in ihren Notlagen wirksam zu erreichen".

Die Caritas forderte etwa frühe Hilfen für junge Eltern, Angebote der Familienpflege und Kinderbetreuung im Vorschul- und Grundschulalter flächendeckend zu sichern. Notwendig seien zudem mehr Beratungsangebote für Familien, psychosoziale Angebote für Kinder und Jugendliche sowie Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement, so Caritas-Präsident Peter Neher. Der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, beklagte, dass die Haushalte im unteren Drittel kaum eine Veränderungsperspektive hätten.

Die Arbeiterwohlfahrt warnte vor einer "gesellschaftlichen Polarisierung". Es brauche eine entschlossene Stärkung des Sozialstaates und Investitionen in den sozialen Zusammenhalt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte mehr Anstrengungen bei der Vermeidung und Überwindung von Wohnungslosigkeit. Die Verfestigung von Armut nannte das Institut "alarmierend und mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht vereinbar".

Die Nationale Armutskonferenz (NAK) verlangte, das Leistungsniveau in der Grundsicherung zu erhöhen, um materiellen Mangel zu verhindern und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema