DOMRADIO.DE: Einen normalen oder richtigen Gottesdienst feiert man ja doch in einer Kirche. Was ist dann ein Hausgottesdienst?
Prof. Alexander Saberschinsky (Dozent der Erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule Köln und Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat): Sie sagen ein interessantes Stichwort: normal. Was ist schon normal? Wenn ich natürlich als normal das nehme, was wir normalerweise kennen, dann ist das tatsächlich, dass ein Gottesdienst in der Kirche zusammen mit vielen Menschen – möglichst vielen Menschen – und einem Priester gefeiert wird. Dann denken wir in der Regel an eine Messfeier. Dann müsste man sagen, Hausgottesdienste sind irgendwie so was ganz Besonderes, was Exotisches.
Wenn man allerdings fragt, was theologisch hinter so einem Gottesdienst steht, dann wird das Blickfeld tatsächlich noch mal weiter. Dann brauche ich einfach Menschen, die sich um Christus versammeln, sich von ihm ansprechen lassen in der Heiligen Schrift und dann im Gebet gemeinsam darauf antworten. Das ist im Grunde genommen schon ein Gottesdienst.
Und wenn wir Gottesdienst sagen, dann denken in der Regel ja auch immer tatsächlich an Messe. Aber Gottesdienst ist natürlich ein viel weiterer Begriff und nicht jeder Gottesdienst muss eine Messe sein. Das heißt, es muss auch nicht immer ein Priester bei einem Gottesdienst dabei sein. Das gibt uns die Möglichkeit, Hausgottesdienste zu feiern. Und das können dann richtige Gottesdienste sein, auch wenn sie natürlich im viel kleineren Rahmen stattfinden.
DOMRADIO.DE: Liegt ja auch nicht so fern. Die Urgemeinden und Urchristen haben das auch so gemacht. Was hat es denn mit diesen Tutorials auf sich? Was ist Ihre Idee dahinter?
Saberschinsky: Wir möchten dazu ermutigen, wieder ein bisschen an diese Praxis der Urkirche, an das Ursprüngliche anzuknüpfen. Wir wollen dazu Mut machen. Die Corona-Krise hat uns ja so ein bisschen dazu gedrängt, Notlösungen zu suchen. Und das ist bestimmt ein Aspekt von Hausgottesdiensten, dass sie ein Ersatz sein können in Notsituationen. Allerdings, wenn man – Stichwort alte Kirche, haben Sie ja schon gesagt – so ein bisschen schaut, was die Grundidee ist, dann ist das auch noch mal echt eine Chance jenseits jeder Krisensituation.
Die Grundidee ist nämlich: Menschen kommen zusammen, versammeln sich um Christus und sind Kirche im Kleinen. Das ist ja eine Idee, die uns das Zweite Vatikanische Konzil schon wieder nahegelegt hat. Die Familie auch als Hauskirche, als kleine Kirche zu entdecken, aus der dann natürlich die größere Kirche wachsen kann. Und das könnte auch ein Schub noch mal sein im Hinblick auf Gottesdienst.
DOMRADIO.DE: Ganz abgesehen also von den Pandemiebedingungen und Umständen. Aber viele Gläubige konnten ja gerade im vergangenen Jahr, während der Lockdowns nicht immer in die Kirche und die Gottesdienste besuchen. Ältere Menschen schaffen es auch nicht immer, den Fußweg zu einer Kirche zu gehen. Ist ein Hausgottesdienst da dann eine echte Alternative?
Saberschinsky: Ich möchte fast sagen, er ist dann alternativlos. Wenn ich nicht in die Kirche gehen kann, um mit der größeren Gemeinschaft zu feiern, was mache ich dann? Da kann ich natürlich zu Hause sitzen und schmollen. Aber besser wäre es natürlich, ich mache dann das, was mir möglich ist. Und dann in dieser besonderen Situation, wenn ich wirklich nicht teilnehmen kann, ist das schon eine Alternative: Also für Kranke, für alte Menschen, die nicht mehr mobil sind oder von mir aus auch in so einer Krisensituation wie der Pandemie, dann ist das eine Alternative.
Aber mit unseren Video-Tutorials wollen wir eigentlich nicht fit machen für Krisensituationen, sondern worauf wir hinauswollen, ist, dass Hausgottesdienste nicht eine Alternative im Alltag zu den großen Gottesdiensten in Kirchen sind, sondern eine Ergänzung. Und das ist – meine ich zumindestens – sogar ein Beitrag in einem viel größeren Kontext. Wenn Sie in die Diözesen gucken, nicht nur in das Erzbistum Köln, aber auch im Erzbistum Köln: Alle Diözesen sind gerade irgendwie in einem Prozess der Kirchenentwicklung.
Und dazu wollen wir sogar einen Beitrag leisten. Weil Kirche fängt nicht an auf diesen ganz großen Strukturen, fängt überhaupt nicht bei Strukturen an, sondern Kirche fängt beim Menschen an. Bei Menschen, die sich ganz konkret um Christus versammeln, mit ihm im Gespräch sind. Das ist ja die Idee von Gottesdienst. Insofern ist ein Hausgottesdienst vielleicht ein Schub, eine Initiative, ein Baustein in diesem größeren Kirchenentwicklungsprozess und sollte sich im Idealfall mit den großen gemeinsamen Feiern in den Kirchen ergänzen.
DOMRADIO.DE: Und die Tutorials? Sie haben es gesagt, jetzt sind sie damit gestartet. Wie geht es denn weiter? Die Dreharbeiten haben ja jetzt begonnen.
Saberschinsky: Was gerade begonnen hat, sind die Dreharbeiten mit denjenigen, die so versuchen in die Idee des Hausgottesdienstes einzuführen. Ich nenne die jetzt mal die "Sprecher". Da haben wir so eine kleine bunte Truppe. Es sind konkret vier Leute. Neben mir machen noch eine Kollegin aus dem Bistum Mainz und ein Kollege aus dem Bistum Speyer mit und es ist noch ein Kollege dabei, der Priester im Bistum Hildesheim ist. Wenn ich Kollege sage, meine ich, das sind Kollegen auf der Liturgiereferenten-Ebene. Und diese Initiative zu den Video-Tutorials geht tatsächlich von den Liturgiereferenten in Deutschland und überhaupt im deutschsprachigen Raum aus. Es machen nämlich auch Kollegen aus der Schweiz und aus Österreich mit. Ja, wir bilden sozusagen die Redaktionsgruppe und haben gemeinsam Texte erarbeitet, die jetzt konkret vier Leute sprechen.
Aber wir wollen da auch nicht nur so sitzen wie der Erklärbär oder die Erklärbärin und dann erzählen, was Hausgottesdienst ist, sollen wollen das auch konkret zeigen. Das heißt, wir suchen auch noch gerade Menschen, die im Idealfall tatsächlich zu Hause Gottesdienst schon feiern und die uns und allen Interessierten auch mal zeigen, wie das geht. Und wir dürfen sie hoffentlich vielleicht dabei auch aufnehmen und das so im Wechselspiel von einfach mal schauen dürfen, Beispiele sehen können und erklären, hoffen wir, dass daraus dann Video-Tutorials entstehen. Also wir sind erst am Anfang des Weges. Und wenn alles gut geht, gibt es nächstes Jahr dazu wirklich eine ganze komplette anschauliche Reihe von Video-Tutorials zum Thema Hausgottesdienst.
Das Interview führte Katharina Geiger.