Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach darüber mit Daniel Heinze (44), der seit 24 Jahren als Kirchenredakteur arbeitet und zusammen mit drei Kolleginnen das Radioprogramm im Auftrag des Bistums Dresden-Meißen und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen verantwortet. Zudem ist er Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft katholischer Privatfunkredakteurinnen und -redakteure (Kapri).
KNA: Herr Heinze, wie macht sich Gott denn so im Privatfunk?
Heinze: Er taucht auf zwischen Superhits aus den 80ern, 90ern und Werbeblöcken. Privatfunk ist nicht gottlos. Er bildet das Leben ab, wie es ist - und so, wie die Leute mit Gott vertraut sind oder eben nicht. Es ist schon wichtig, dass die Kirchen die Chance wahrnehmen, dort in diesem sogenannten Begleitmedium aufzutauchen, zumal die Hörerzahl über die Jahre konstant hoch geblieben ist. Klar, Kirche kommt im Privatfunk nicht vor, weil die Programmchefs scharf darauf sind, sondern weil es Regelungen gibt, dass in gewissem Rahmen Kirchenprogramm eingespeist werden muss. Wichtig ist, dass wir da in unseren Verkündigungssendungen gute Botschaften platzieren und in den Alltag der Leute hineingehen.
KNA: Verkündigungssendung klingt so ein bisschen altbacken. Was muss man sich darunter im Privatfunk vorstellen?
Heinze: Journalistische Beiträge über kirchliches Leben. Das können 90-Sekünder vorm Werbeblock sein oder andere kürzere Beiträge. Verkündigung ist ja ein riesiges Wort. Bei uns ist es letztlich: Der eine gute Gedanke für den Tag, den wir den Leuten mitgeben - beim Zähneputzen, beim Frühstück, zwischen Tür und Angel oder abends, wenn sie nach Hause fahren. Im Idealfall eine Message, wo die Leute sagen: Ach, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Oder: Interessant, dass Kirche da so eine Option fürs Leben hat.
KNA: Im Privatfunk muss man oft komplexe Sachverhalte extrem runterbrechen. Bereitet das Bauchschmerzen, oder ist es eine gute Übung? Gerade "Kirchensprech" steht ja vielfach als unverständlich in der Kritik.
Heinze: Es ist eine gute Schule! Wir reden zum Beispiel von den zwölf Aposteln als Gottes Gurkentruppe - denn das waren ja eher "simple minds", die nicht groß studiert haben, aber auf die Jesus gesetzt hat. Klar, das ist für manchen Kirchenvertreter ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Aber es ist wichtig, es auf ein Level herunterzubrechen, das mein Gegenüber auf Anhieb versteht und anspricht, und ihm gleichzeitig deutlich macht, dass mir das Thema wichtig ist. Natürlich fällt bei dieser Reduzierung viel unter den Tisch, das ist mir völlig klar.
KNA: Was kann da die Richtschnur sein?
Heinze: Ich würde sagen: Keine Angst vor grundlegenden Wahrheiten. Transportiert in einer optimistischen Grundhaltung, aber auch mit einem klaren Blick auf die Welt, der zeigt: Christen sind keine verspulten, weltfremden Freaks, sondern die haben einen Halt für sich im Leben gefunden, den andere vielleicht noch nicht kennen - der aber auch eine Option für andere sein kann.
KNA: Privatsender haben meist eine sehr klar umrissene und gut evaluierte Zielgruppe. Macht es das einfacher, auch religiöse Themen passgenauer unterzubringen?
Heinze: Ja, auf jeden Fall. Ich kann mir meine typische Hörerin - eine sächsische Hausfrau Ende 30, zwei Kinder - exakt vorstellen und sie entsprechend persönlich ansprechen im Beitrag. Die Krux ist: Wie komme ich mit religiösen, kirchlichen Fragen an die ran, ohne sie zu vereinnahmen? Viel geht über Lebenshilfe-Themen von Schuldner- bis Eheberatung, auch Infos zu christlichen Kindergärten oder Schulen. In Sachsen haben 80 Prozent unserer Hörerinnen und Hörer keinen Kontakt mit Kirche. Wenn ich da die frohe Botschaft des Christentums unterbringen will, kann ich sehr wenig voraussetzen. Aber ich halte meine Hörerschaft deswegen keineswegs für dumm!
KNA: Die Kirchenredakteure im Privatfunk sind von den Kirchen entsandt, haben also einen anderen Status als die restlichen Redakteurinnen und Redakteure im Sender. Macht sich das im Alltag bemerkbar?
Heinze: Wir haben immer einen Exoten-Status, die Kirchenfuzzis. Wobei man differenzieren muss. In den meisten Bundesländern liefern kirchliche Agenturen von außen die Beiträge den Sendern zu. Sachsen ist ein Sonderfall: Da sitzen die Kirchenredakteure direkt in den Sendern - zur besseren Integration, weil Kirche ja eh schon so exotisch ist. Das hat sich bewährt. Wir vier sitzen mit in den Redaktionskonferenzen, sind in die Abläufe eingebunden, übernehmen Berichterstattung, sind voll integriert. Dadurch ist viel Vertrauen in uns als Fachredaktion gewachsen. Gerade bei so kirchlichen Highlights wie der Papstwahl, wo die ganze Welt hinschaut. Da wissen die Programmverantwortlichen: Wir können es kompetent und verständlich erklären. Aber wir werden auch gefragt, wenn es in Redaktionsdebatten um ethische Fragen bei der Berichterstattung geht.
KNA: Sie sind seit 24 Jahren dabei. Wie hat sich die Akzeptanz der kirchlichen Berichterstattung entwickelt?
Heinze: Wenn ich auf die Quoten schaue, kann ich konstatieren: Kirchliche Sendungen sind kein Abschaltfaktor. Das ist schon viel wert. Dass wir da reden, scheint also kein Problem zu sein. Natürlich gibt es auch kritische Rückmeldungen von Hörern. Aber was sich vielleicht am stärksten geändert hat, sind wir: Noch vor 15 Jahren hätte ich gesagt, wir machen kirchliche Alphabetisierung - sprich: wir erzählen den Leuten, wie Kirche geht und wie etwa Weihnachten richtig gefeiert wird, was der "eigentliche Grund" ist.
KNA: Warum hat sich das gedreht?
Heinze: Ich hatte meinen Schlüsselmoment auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt, wo wir die Weihnachtsgeschichte gelesen haben und plötzlich jemand brüllte: "Lasst uns doch wenigstens an Weihnachten mit eurem Kirchenscheiß in Ruhe!" Das hat mich ins Nachdenken gebracht. Wir müssen einfach akzeptieren, dass den Menschen hier das Weihnachtsfest "heilig" ist, aber eben wenig mit dem christlichen Weihnachtsfest zu tun hat. Und die wollen nicht ständig aufs Brot geschmiert bekommen, dass sie es ja eigentlich nicht richtig feiern. Kurzum: Es geht um die Grundhaltung, mit der ich als Kirchenredakteur über religiöse Themen spreche, und die darf nicht sein, dem anderen zu sagen, dass er ein Defizit hat und ihm etwas fehlt. Es geht darum, Kirche als Option aufzuzeigen.
KNA: Die Niederschwelligkeit von Kirche im Privatfunk wird in kirchlichen Kreisen mitunter etwas belächelt. Ist den Hierarchen bewusst, dass die Kirchenredakteure mit ihren Beiträgen mehr Menschen erreichen, als es je ein Bischof mit einer Predigt schaffen kann?
Heinze: Ich glaube ja, bin mir aber nicht sicher. Das Engagement wird schon geschätzt. Es ist ein Fakt, dass wir Menschen in einer großen Breite erreichen, die Kirche sonst aus eigener Kraft nicht erreicht. Ich habe aber durchaus die Sorge, dass im Zuge der kirchlichen Sparprozesse auch hier gekürzt wird. Dabei braucht es im Zuge der sich entfaltenden Digitalisierung der Medien eigentlich deutlich mehr Menschen, um Inhalte zu produzieren.
Das Interview führte Karin Wollschläger.