Bei der vom Papst im Oktober ins Leben gerufenen Weltsynode fällt der katholischen Kirche in Italien eine besondere Rolle zu. Schließlich nimmt die Mittelmeernation mit dem Vatikan im Herzen eine exponierte Stellung im weltkirchlichen Gefüge ein. Wo, wenn nicht dort, hat Franziskus die Möglichkeit, das Reformprojekt direkt anzuschieben?
Prozess von unten nach oben
Der bald 85-Jährige macht von dieser Option regen Gebrauch. Bereits im Januar rief er die italienische Kirche auf, einen "synodalen Prozess auf nationaler Ebene" zu beginnen. Dieser müsse "Gemeinde für Gemeinde, Diözese für Diözese" einbeziehen und "von unten nach oben wie von oben nach unten" wirken.
Im Vordergrund stünden die Impulse des kirchlichen Nationalkonvents 2015 in Florenz: Dort hatte der Papst davor gewarnt, sich den Herausforderungen der Zeit durch ein Festhalten an überholten Vorstellungen zu entziehen. Die christliche Lehre sei kein geschlossenes System ohne Zweifel und Fragen, sondern lebendig - vor allem aber entwicklungsfähig, betonte er damals.
Vieles in Vergessenheit geraten
Inzwischen bezeichnet Franziskus die Ergebnisse von 2015 rückblickend als "Schritt nach vorne, zumindest von der Formulierung her". Leider sei vieles davon in den Folgejahren in Vergessenheit geraten. Zu Jahresbeginn sprach er wörtlich von "Amnesie". Nun gehe es darum, an das "Erbe von Florenz" anzuknüpfen.
Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, ließ dem Weckruf Taten folgen. Das Kirchenoberhaupt verlange zu Recht "einen Schritt nach vorn", lautete die erste Reaktion. Eine Gemeinschaft, die sich nicht treffe, sei keine echte Gemeinschaft. Deshalb müsse man lernen, aufeinander zuzugehen. Dafür gebe es vielfältige Möglichkeiten, die es fortan zu nutzen gelte.
Papst wünscht sich neuen Stil
Der offizielle Startschuss für den synodalen Prozess in Italien folgte im Mai bei der Vollversammlung der Bischöfe in Rom. Franziskus ließ es sich nicht nehmen, beim Auftakt persönlich dabei zu sein. Abermals forderte er die Geistlichen auf, das Vorhaben voranzutreiben. Starre Vorgaben machte er nicht. Wichtiger als konkrete Beschlüsse, das lässt er durchblicken, ist ihm ein neuer Stil: kein streng hierarchisches Vorgehen mehr, sondern kontinuierliche, gemeinsame Fortschritte aller Gläubigen, die so langfristig das Gesicht der Kirche verändern.
"Start- und Sensibilisierungsphase"
Passend dazu teilte die Bischofskonferenz im September mit, dass sie den synodalen Weg in Italien bis 2025 ausdehnen werde. Eine "Start- und Sensibilisierungsphase" soll bis Ende November auf den Weg einstimmen. Es folgen eine "Erzähl- und Austauschphase" bis Mai 2023 und eine "Orientierungsphase" bis Mai 2024. Eine "prophetische Phase" bis Mai 2025 soll ein Dokument mit Prioritäten erbringen. Damit reicht das Projekt deutlich über die weltweite Synode hinaus, die zunächst bis 2023 geplant ist.
Der Papst verfolgt das Prozedere in Italien genau - und mit kritischem Blick. Vor einigen Tagen stattete er den Bischöfen bei ihrer außerordentlichen Vollversammlung in der Ewigen Stadt erneut einen Besuch ab - diesmal "strikt privat". Unter dem Siegel der Geheimhaltung wurde über den weiteren Verlauf des synodalen Wegs beraten.
Reformschritte als Beispiel
Bekannt ist indes, was Kurienkardinal Mario Grech den Italienern mit auf den Weg gab. Auch der Leiter des vatikanischen Synodensekretariats zählte vergangene Woche zu den Besuchern der Konferenz in Rom. Er sieht die italienischen Reformschritte "als Beispiel" für die anderen Kirchen und Bischofskonferenzen. Wenn das Unternehmen gelinge, werde es andernorts als Quell der Inspiration dienen. Allerdings warnte der Kardinal vor der Gefahr, den Prozess mit überzogenen Zielen und abseitigen Vorstellungen zu überfrachten. Wichtig sei zudem, die Abläufe in Einklang mit der weltweiten Synode zu bringen.
Grech gab sich Mühe, Befürchtungen und Argwohn bei etlichen Bischöfen zu beschwichtigen. Keinesfalls wolle das Synodensekretariat Themen wie den Pflichtzölibat für Priester den Umgang mit Homosexuellen oder die Rolle der Frau aufzwängen, versicherte er. In erster Linie komme es "darauf an, eine echte synodale Mentalität reifen zu lassen". Der Papst höchstselbst wird darüber wachen, ob dieser Reifungsprozess erfolgreich verläuft.