Politiker und Kirchenvertreter ringen um Ostergottesdienste

"Kirche keine virtuelle Organisation"

Wie soll Ostern aussehen? Mit ihrem Vorstoß, das die Kirchen coronabedingt möglichst auf Präsenzgottesdienste verzichten, hat die Politik für Wirbel gesorgt. Diözesen reagieren irritiert, so mancher Politiker will beschwichtigen.

Auch das war Ostern 2020: Gestreamter Gottesdienst / © Corinne Simon (KNA)
Auch das war Ostern 2020: Gestreamter Gottesdienst / © Corinne Simon ( KNA )

Für Unruhe und teilweises Unverständnis bei den Kirchen hatte ein Punkt des Beschlusses der Regierungschefs von Bund und Ländern vom Dienstagmorgen gesorgt. Im Beschlusspapier über zusätzliche Corona-Maßnahmen rund um Ostern heißt es: "Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen, mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen."

Des Weiteren wurde von der Runde wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen eine "erweiterte Ruhezeit" beschlossen.

"Die Drehbücher ähneln sich"

"Wie vor Weihnachten, so jetzt für Ostern. Die Drehbücher ähneln sich", sagte Meier am Dienstag in Augsburg. Immer kurz vor den Festen werde an die Kirchen appelliert, sich auf virtuelle Angebote zu konzentrieren.

Meier sagte, er wisse, wie viel Zeit und Mühe die Priester, in der Seelsorge Tätige und ehrenamtliche Frauen und Männer seit Wochen investierten, um die Gottesdienste trotz aller Einschränkungen würdig und froh zu feiern. "Unsere ausgefeilten Hygienekonzepte haben dazu beigetragen, dass mir kein Fall im Bistum bekannt ist, der als Corona-Infektionsherd identifiziert wurde."

Zugleich ging der Bischof auf die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein, dass dieser in den nächsten Tagen mit der katholischen Kirche reden wolle. "Offene Gespräche sind meist das Gegenteil von öffentlichen Gesprächen. So hoffe ich, dass der partnerschaftliche Dialog zwischen der Regierung und den Kirchen in das Ergebnis mündet, doch öffentliche Präsenzgottesdienste mit strengen Auflagen feiern zu können. Denn die Kirche ist keine virtuelle Organisation, sondern eine lebendige Gemeinschaft."

Katholische Bistümer in NRW halten an Ostergottesdiensten fest

Die katholischen Bistümer in Nordrhein-Westfalen wollen nicht auf Präsenzgottesdienste von Gründonnerstag bis Ostern verzichten. "Wir sind der Meinung, dass sich die Gottesdienstregeln zu Weihnachten bewährt haben und dass wir unter diesen Voraussetzungen auch das Triduum feiern können", sagte der Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen, Antonius Hamers, am Dienstagabend der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Düsseldorf. Die konkreten Gespräche darüber mit der Landesregierung stünden am Mittwoch an.

Bund und Länder hatten nach ihren jüngsten Beratungen angekündigt, die Kirchen zu bitten, angesichts steigender Infektionszahlen die Gottesdienste an den Kar- und Ostertagen nur virtuell zu feiern. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte bisher betont, dass sie bei den Corona-Maßnahmen einen direkten Eingriff in die Religionsfreiheit vermeiden wolle und auf die Selbstverpflichtung der Kirchen und Religionsgemeinschaften setze. In NRW liegen die katholischen Erzbistümer Köln und Paderborn sowie die katholischen Diözesen Aachen, Essen und Münster.

Bistum Trier: "Äußerst überraschender" Politik-Appell zu Ostern

Das Bistum Trier hat nicht mit dem deutlichen Appell der Politik an die Kirchen gerechnet, coronabedingt zu Ostern auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. "Diese Nachricht kommt äußerst überraschend recht kurz vor Beginn der heiligen Woche und in einer Situation, in der die Gottesdienste geplant und die Termine bereits veröffentlicht sind", teilte die Diözese am Dienstag mit.

Der Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg sagte, aktuell liefen "zur Klärung" Gespräche auf Bundes- und Landesebene. "Auch wenn es die Planungen vor Ort erschwert, bitte ich um etwas Geduld, bevor ich verbindlich mitteilen kann, ob und welche Auswirkungen die Bitte des Bund-Länder-Treffens auf das Bistum Trier hat."

Das Bistum Mainz verwies auf Anfrage auf die gerade laufende Koordinierung der beschlossenen Maßnahmen mit den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen über die jeweiligen Katholischen Büros. Am Mittwoch tage dann der Corona-Krisenstab des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf. Voraussichtlich werde es von Seiten des Bistums frühestens Mittwochnachmittag konkrete Hinweise an die Gemeinden geben.

Aus Sicht des Bistum Fulda ist derzeit noch nicht absehbar, wie weitreichend die Einschränkungen bei den Kar- und Ostergottesdiensten sein werden. "Grundsätzlich ist es uns ein Anliegen, dass Ostergottesdienste im Rahmen des rechtlich Möglichen stattfinden", betonte das Bistum. Es gelte nun, "auf der Basis bewährter Erfahrungen" das weitere Vorgehen für die Osterfeiertage mit den Ländern abzustimmen. Eine wesentliche Rolle spielten dabei die "weitreichenden Schutzkonzepte, die im Bistum Fulda bisher sehr erfolgreich umgesetzt werden konnten". Auch "mögliche neue medizinische Erkenntnisse" von Virologen über Mutationen seien einzubeziehen.

Diözesen im Südwesten überrascht über Politik-Appell zu Ostern

Auch die katholischen Bistümer in Baden-Württemberg haben nicht mit dem Appell der Politik gerechnet, coronabedingt zu Ostern auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz und der Kanzlerin komme überraschend, betonten die Diözesen Freiburg und Rottenburg am Dienstag. "Ostern ist das wichtigste Fest der Christenheit", hieß es. Die Bistümer verwiesen zugleich auf seit Monaten funktionierende Hygienekonzepte der Gottesdienste vor Ort.

Ob die Ostergottesdienste nur virtuell oder doch in Präsenzform gefeiert werden könnten, hänge nun "in erster Linie davon ab, ob und in welcher Weise die Landesregierung den Beschluss für Baden-Württemberg umsetzt", sagte ein Sprecher des Erzbistums Freiburg. Das Staatsministerium betonte auf Anfrage, zunächst mit den Kirchen sprechen zu wollen.

Kirchen in Niedersachsen möchten Ostergottesdienste feiern

Die beiden großen christlichen Kirchen in Niedersachsen möchten zu Ostern nicht auf Präsenzgottesdienste verzichten. "Wir sind irritiert darüber, aus den Medien erfahren zu müssen, dass die Kirchen gebeten sind, von Gründonnerstag bis Ostermontag ausschließlich digitale Gottesdienste zu halten", heißt es in einer am Mittwoch in Hannover veröffentlichten Erklärung der niedersächsischen Bischöfe. Es sei das Ziel der Kirchen im Rahmen der Corona-Verordnung auch über Ostern Gottesdienste sowohl in Präsenz als auch digital zu feiern. "Wir legen Wert darauf, dass die Wahl der Formate und die konkrete Ausgestaltung der Gottesdienste weiter in der Eigenverantwortung der Kirchen bleibt."

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte angekündigt, dazu das Gespräch mit den Kirchen zu suchen. Dieses Angebot werde man annehmen und versuchen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, erklärten die Bischöfe.

"Für viele Menschen ist der Besuch von Gottesdiensten gerade in dieser Zeit ein besonderes Bedürfnis", hieß es. Die Stellungnahme verweist auch auf die Freiheit der Religionsausübung. Das lokale Infektionsgeschehen werde bei der Entscheidung über die Gottesdienstformate immer berücksichtigt und das Gespräch mit den kommunalen Behörden gesucht.

Seit Wochen bereiteten die Kirchengemeinden die Gottesdienste von Palmsonntag bis Ostermontag vor. Geplant seien Formate in Kirchen und im Freien, Live-Stream-Gottesdienste, Haustür-Aktionen, Andachten auf Treckern und an Straßenkreuzungen sowie Kreuzwege und Ostergärten.

Dabei sei es wie bisher und zuletzt auch an Weihnachten oberstes Ziel, alles zu tun, um Infektionen zu verhindern. Es seien sehr detaillierte Hygienekonzepte vorhanden und würden strikt angewandt.

"Wir werden aktuell diese Konzepte und die geplanten Gottesdienstformate eingehend anhand der Anforderungen des Landes überprüfen", so die Bischöfe in ihrer Erklärung. Sie ist stellvertretend unterzeichnet von Vertretern des Katholischen Büros Niedersachsen und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.

Reduzierung sämtlicher öffentlicher Bewegung

Die bayerische Landesregierung will auf die Kirchen beim Thema Ostergottesdienste laut Ministerpräsident Söder "keinen Druck" ausüben. Er habe bereits mit dem bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm über die Angelegenheit diskutiert, sagte Söder am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Es bleibe gleichwohl beim Appell "zu vermehrt virtuellen Angeboten" aufgrund der Corona-Lage, erläuterte der Ministerpräsident. Die Möglichkeit zu Präsenz-Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen bleibe also bestehen.

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat um Verständnis für die Bitte um Verzicht auf Präsenzgottesdienste zu Ostern geworben. "Es geht nicht darum, dass die Hygienemaßnahmen in Kirchen nicht bewährt sind, sondern insgesamt um die Reduzierung sämtlicher öffentlicher Bewegungen, die stattfinden. Schließlich muss man irgendwie hin- und wieder wegkommen", erklärte Ramelow am Dienstag in Erfurt. Dies gelte nicht nur für die christlichen Kirchen, sondern etwa auch für die jüdische Landesgemeinde, die Ende März Pessach begeht.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verteidigte hingegen die Entscheidung, dass möglichst keine Ostergottesdienste stattfinden sollten. "Das Ziel ist, dass alles zur Ruhe kommt", sagte sie. Daher gebe es die klare Erwartung an die Kirchen, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten.

Orthodoxe Kirchen bestehen auf Präsenzgottesdiensten

Die orthodoxen Kirchen in Deutschland stehen in der Diskussion über die Feier von Ostergottesdiensten "solidarisch an der Seite der anderen Kirchen". Ein Sprecher der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Bonn: "Es ist unsere feste Überzeugung, dass die Kirchen unter allen Umständen offen bleiben und Präsenzgottesdienste unter strenger Einhaltung aller Infektionsschutzmaßnahmen weiterhin möglich sein müssen." Das orthodoxe Osterfest ist in diesem Jahr erst am 2. Mai.

Für die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland hätten Gottesdienste in Präsenz Priorität. Diese müssten selbstverständlich unter genauer Beachtung der erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen stattfinden, für deren Umsetzung die jeweilige Diözese zuständig sei.

Gottesdienste unter Berücksichtigung dieser Hygienevorschriften seien bereits am vergangenen Weihnachtsfest von den orthodoxen Kirchen in Deutschland gehalten worden; "diese Praxis kann als gelungen bezeichnet werden", so der Sprecher.

Der Vorsteher der russisch-orthodoxen Sankt-Nikolaus-Kathedrale in Stuttgart, Erzpriester Ilya Limberger, bezeichnete in einem Schreiben an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) die Bitte aus der Politik, Gottesdienste nur digital zu veranstalten, als "Absurdität sondergleichen".

Eine solche Maßnahme "ohne handfeste Evidenz zu beschließen, grenzt an Willkür und Schikane", fügte er hinzu. Die Ostergottesdienste zu unterbinden, sei ein "destruktives Signal in Richtung aller Christen, die es in diesem Land noch gibt". Es zerstöre das Vertrauen der Menschen gegenüber den Entscheidungsträgern und den von ihnen beschlossenen Maßnahmen und säe Unzufriedenheit und Resignation.

Zentralrat der Juden setzt auf "verfassungskonforme Lösung"

In der Debatte um Präsenzgottesdienste am ersten April-Wochenende setzt der Zentralrat der Juden in Deutschland auf eine "verfassungskonforme Lösung". In dieser Frage sei der Zentralrat derzeit in einem "engen und vertrauensvollen Austausch" mit dem Bundesinnenministerium, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Berlin auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Es geht darum, gemeinschaftlich eine verfassungskonforme Lösung zu finden, die dem Grundrecht auf Religionsfreiheit gerecht wird. Wir rechnen in Kürze mit Ergebnissen."

An dem Wochenende, an dem Christen das Osterfest feiern, begehen Juden die letzten Tage von Pessach. Das achttägige Fest, das an das Wunder des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten erinnert, beginnt an diesem Samstagabend und endet am 4. April, also Ostersonntag. Darüber hinaus fällt in diesen Zeitraum auch der Ruhetag Schabbat, zu dem normalerweise ebenfalls Gottesdienste stattfinden.

Situation von 2020 soll sich nicht wiederholen

Es könnte für viele Gemeinden das zweite Jahr in Folge sein, in dem sie zu den höchsten christlichen Feiertagen auf Gottesdienste mit Besuchern verzichten. 2020 hatte es eine Abmachung zwischen dem Staat und Kirchen gegeben, während des ersten Corona-Lockdowns im April Präsenzveranstaltungen auszusetzen.

Die Bereitwilligkeit, mit der die Kirchen dem zugestimmt hatten, hatte für Kritik gesorgt. Viele leitende Geistliche hatten anschließend betont, eine solche Situation solle es nicht wieder geben. An Weihnachten hatten daher trotz vielerorts hoher Inzidenz Gottesdienste mit strengen Hygieneregeln stattgefunden.

Karfreitag und Ostern sind zentrale christliche Feiertage, Christen gedenken an diesen Tagen der Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi. Das jüdische Pessachfest, das am 4. April endet, erinnert an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei.

Information der Redaktion: Dieser Artikel wird fortlaufend ergänzt, Stand 24.03.2021, 12:45 Uhr


Bertram Meier / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bertram Meier / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Markus Söder (CSU) / © Sven Hoppe (dpa)
Markus Söder (CSU) / © Sven Hoppe ( dpa )

Bodo Ramelow im Portrait / © Martin Schutt (dpa)
Bodo Ramelow im Portrait / © Martin Schutt ( dpa )

Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sitzt auf ihrem Platz im Landtag / © Andreas Arnold (dpa)
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sitzt auf ihrem Platz im Landtag / © Andreas Arnold ( dpa )
Quelle:
KNA , epd
Mehr zum Thema