Religionsfreiheit ist ein Gut, das weltweit zunehmend knapp wird. Dieser Eindruck verfestigt sich nach der Lektüre der Dokumentation "Christen in großer Bedrängnis", die das internationale katholische Hilfswerk "Kirche in Not" am Freitag in München vorstellte. Wobei der Titel etwas in die Irre führt: Leidtragende dieser Entwicklung, auch das macht der Report deutlich, sind nicht nur Christen, sondern auch andere Religionsgemeinschaften wie die Jesiden im Irak oder die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar.
Von Ägypten bis Vietnam nimmt die seit 2008 zum vierten Mal herausgegebene Dokumentation 16 Brennpunktländer ins Visier. Ohne Anspruch auf Wissenschaftlichkeit oder Vollständigkeit wurden Informationen aus unterschiedlichen Quellen ausgewertet. "Kirche in Not" stützt sich auf kirchliche Nachrichtendienste, Menschenrechtsorganisationen, das US-Außenministerium und eigene Kontakte in den Krisenregionen.
Verfolgung dramatisch zugenommen
In den vergangenen zwei bis drei Jahren, so das Fazit von Autor Berthold Pelster, hat das Ausmaß an Unterdrückung, Gewalt und Verfolgung gegen Religionsgemeinschaften "noch einmal dramatisch zugenommen und ein selten zuvor gesehenes Niveau erreicht". So war
2014 für das von der islamistischen Terrorsekte Boko Haram heimgesuchte Nigeria das blutigste Jahr bisher. Ebenfalls in den Berichtszeitraum fällt die Errichtung des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) in Syrien und Irak mit der Vertreibung von 120.000 Christen aus Mossul und der Ninive-Ebene.
Christen auch in China betroffen
Bischöfe wie der katholisch-chaldäische Patriarch von Bagdad, Louis Raphael I. Sako, der an der Präsentation des Kompendiums mitwirkte, lassen schon länger keinen Zweifel daran, dass der IS-Gewalt aus seiner Sicht ohne einen massiven Militäreinsatz nicht beizukommen ist. Ein noch größeres Problem sieht Pelster darin, dass sich "das ideologische Gift des islamistischen Extremismus immer weiter ausbreitet". Und er deutet an, dass es möglicherweise schwerer werde, diese Idee wieder aus der Welt zu schaffen, "selbst wenn die IS-Kämpfer besiegt werden". "Der Islam braucht eine Kulturrevolution, vor allem im Nahen Osten", ist der Menschenrechtsexperte überzeugt.
Auch in China hat sich die Religionsfreiheit ausweislich des Reports seit 2014 "deutlich verschlechtert". Kirchen und andere religiöse Gebäude wurden abgerissen, Kreuze von Dächern entfernt. Betroffen waren staatlich registrierte wie nicht registrierte christliche Gemeinschaften, aber auch buddhistische, daoistische und volksreligiöse Gebetsstätten und Tempel.
Widersprüchliche Entwicklungen
Trotzdem ist "Kirche in Not" optimistisch, was das "Reich der Mitte" angeht. Ohne mit exakten Zahlen aufwarten zu können, geht es von einer wachsenden Attraktivität des Christentums bei den Chinesen aus. Bald werde es dort mehr Christen als Mitglieder der Kommunistischen Partei geben, prognostiziert das Hilfswerk. Das wären dann immerhin mehr als 78 Millionen Getaufte.
In einigen Ländern verzeichnet die Dokumentation widersprüchliche Entwicklungen. So ist in Vietnam für dieses Jahr ein Religionsgesetz geplant, das dem sozialistischen Einparteienstaat noch mehr Kontrolle über die Gläubigen verschaffen soll. Zugleich stimmte die Regierung der Errichtung einer Katholischen Universität zu, die noch 2016 eröffnet werden soll.
Weihnachtsmesse in Indonesien
In Indonesien, dem Land mit den meisten muslimischen Einwohnern weltweit, übertrug der Staatssender vor einem Jahr erstmals die Weihnachtsmesse aus dem Vatikan. Wenige Monate später wurde ein offizielles Abkommen in Rom über eine Zusammenarbeit mit Radio Vatikan unterzeichnet. An der Spitze des Religionsministeriums steht in Lukman Hakim Saifuddin ein moderater islamischer Politiker. Dieser kündigte ein neues Gesetz zum Schutz aller religiösen Gruppen an, von dem auch die Glaubensgemeinschaften außerhalb der bisher sechs offiziell zugelassenen Religionen profitieren sollen.