Kirche ruft zu Spenden für syrische Flüchtlinge auf

Eskalation der Gewalt

Die katholische Kirche ruft zu Spenden für syrische Flüchtlinge auf. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte am Samstag in Bonn, immer mehr Menschen seien vor den Gefechten auf der Flucht. Ihre Zahl steigt dramatisch, während die Regierungstruppen mit der lange erwarteten Offensive gegen Aleppo begonnen haben, um die Hochburg der Aufständischen zu erobern.

 (DR)

Zollitsch sagte unter Berufung auf das Flüchtlingswerks der UN, mehr als 120.000 Flüchtlinge seien in der Türkei, im Libanon und im Irak registriert. Die Dunkelziffer dürfte ähnlich hoch sein. "Viele Flüchtlinge haben Traumatisches erlebt. Vor allem die Kinder leiden unter den Gewalterfahrungen und den Strapazen der Flucht." Die kirchlichen Werke Caritas international, Misereor, missio und das Kindermissionswerk arbeiteten mit Partnerorganisationen in Syrien und den Nachbarländern zusammen. Die Anstrengungen müssten aber noch verstärkt werden, betonte Zollitsch.



Vor der lange erwarteten Schlacht zwischen Armee und Opposition um die syrische Stadt Aleppo hatten die Vereinten Nationen vor einer Eskalation der Gewalt gewarnt. Aus Sicherheitsgründen zog das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am Freitag einen Teil seiner Mitarbeiter aus Syrien ab. Unterdessen stockte die Bundesregierung die humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge auf elf Millionen Euro auf.



Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sagte in Genf, die syrische Armee könnte in Aleppo schwere Waffen wie Panzer, Artillerie, Kampfhubschrauber und Kampfjets einsetzen. Angesichts der Konzentration der Truppen sei für die drei Millionen Einwohner das Schlimmste zu befürchten. Die südafrikanische Juristin beschuldigte die Regierung von Präsident Baschar al-Assad aber auch Teile der Opposition, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verübt zu haben.



Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Pillay hatte schon mehrfach gefordert, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzuschalten. Die Entscheidung liegt beim Weltsicherheitsrat. Seit Beginn des Aufstands gegen Assad im März 2011 kamen nach Schätzung der Vereinten Nationen 17.000 Menschen ums Leben.



Die Bundesregierung bewilligte weitere drei Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Das für Lebensmittel, medizinische Hilfe und Trinkwasser bestimmte Geld gehe an das Rote Kreuz und das Technische Hilfswerk. Jeweils eine Million sei für Flüchtlinge in Syrien, in Jordanien und im Libanon vorgesehen.



Nach UN-Angaben sind inzwischen mehr als 150.000 Menschen aus Syrien in die Nachbarländer geflohen. Mindestens 1,5 Millionen Menschen sollen im Land selbst auf der Flucht sein. Immer mehr Menschen suchen auch Zuflucht im Irak, der erst vor einer Woche seine Grenze für syrische Flüchtlinge öffnete. Damit kehrt sich der Flüchtlingsstrom um: In den vergangenen zehn Jahren waren Iraker vor dem Krieg in ihrer Heimat in das damals friedliche Nachbarland Syrien geflohen.



Etwa 800 Syrer sollen sich inzwischen offiziell nahe der syrisch-irakischen Grenze in Al-Kaem in provisorischen Zeltlagern aufhalten. Anderen Schätzungen zufolge sind es mehr als 2.000 Menschen. Die Al-Anbar-Provinz im Westen Iraks hat Wüsten-Klima mit Temperaturen über 40 Grad. Die Versorgung einer großen Zahl von Flüchtlingen in Notbehelfslagern ist daher schwierig.



Der arabische TV-Sender Al Dschasira berichtete, die irakische Regierung wolle die syrischen Flüchtlinge aus dem Grenzgebiet in die Provinzhauptstadt Ramadi umsiedeln. Al-Anbar gilt als Hochburg des Terrornetzwerkes Al Kaida und war im Irak-Krieg heftig umkämpft. Bis heute ist der Irak politisch instabil. Bombenanschläge sind an der Tagesordnung.



Der Direktor des Berliner Museums für Islamische Kunst, Stefan Weber, sieht das reiche Kulturerbe Syriens durch den Krieg akut bedroht. Besonders sorge er sich um die stark umkämpfte Stadt Aleppo mit ihrer "hervorragend erhaltenen Altstadt", sagte Weber im "Deutschlandradio Kultur". Dort sei auch Deutschland sehr stark bei der Erforschung und Sanierung der historischen Stätten aktiv gewesen.



Aleppo gelte als "eine der großen Metropolen der islamischen Welt", die zum Weltkulturerbe gehört. Weber erinnerte an die zwölf Kilometer langen Märkte und die prachtvolle Zitadelle. "Wir haben natürlich nicht nur um die Menschen Angst, sondern auch um diese fantastischen Kulturschätze, die in diesem Krieg nicht geschont werden", sagte der Islamwissenschaftler. Es habe sich immer wieder gezeigt, dass Panzer der Regierungstruppen über Ausgrabungsstätten in die Altstadt fahren, dass Schneisen geschlagen oder aus der Luft flächenmäßig bombardiert werde. Bei einem Verfall der Staatsmacht komme es zudem zu Plünderungen.