Wenn auf der politischen Ebene an Vorurteile und niedrigste Instinkte appelliert werde, um Wählerstimmen zu gewinnen, "dann muss der Widerspruch deutlich und spürbar sein", sagte der Geistliche Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, Arend de Vries, am Samstag in Bad Nenndorf bei Hannover. Der Theologe sprach zu Beginn eines Protesttages gegen Rechtsextremismus, der laut Polizei friedlich begann.
Seit 2006 waren immer am ersten Augustwochenende Neonazis zu einem "Trauermarsch" in die Kurstadt am Deister gekommen. Ziel war das "Wincklerbad", in dem sich von 1945 bis 1947 ein Internierungslager und Verhörzentrum der britischen Armee für Nazis befunden hatte. Für dieses Jahr hatten die Rechtsextremisten vor drei Wochen ihre Veranstaltung ohne Angabe von Gründen abgesagt. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bürger nicht müde geworden seien, sich jahrelang kreativ und lautstark gegen Neonazis in ihrer Stadt zur Wehr zu setzen, teilte das örtliche Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" mit.
Bis zu 1.500 Menschen wollen protestieren
Am Vormittag war die Lage im Ort ruhig, die Atmosphäre "entspannt", sagte Polizeisprecher Thomas Münch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bis in den Nachmittag rechnet das Bündnis in Bad Nenndorf mit bis zu 1.500 Menschen, die gegen Rechtsextremismus protestieren wollen. "Hier hat der friedliche, der bunte Widerstand zum Erfolg geführt", sagte der Geistliche de Vries in einem ökumenischen Gottesdienst im Kurpark. Doch die Plage sei nicht weg. "Im Gegenteil: Rechtes Denken ist präsenter denn je in unserer Gesellschaft. Wenn wir dem begegnen wollen, brauchen wir Klarheit und Klärung." Dafür sei politische Bildung nötig. "Wir müssen Demokratie immer noch lernen, einüben - und wir brauchen Perspektiven für jede und jeden."
Wo die Familie als Anker ausfalle, echte Freunde fehlten und die Gesellschaft versage, hätten rechtsextreme Rattenfänger leichtes Spiel. "Wer nirgendwo Anerkennung, Vertrauen, Zuwendung erlebt, ist blind für den gefährlichen Weg, auf den Verblendete ihn locken." Deshalb müsse sich die Gesellschaft um jeden Einzelnen bemühen: "Menschen, die in die rechte Szene abdriften, waren einmal Kollegen, Mitschüler, im Verein, in der Nachbarschaft."