In Spanien gibt es keine herkömmliche Kirchensteuer; auch im üblichen Staatshaushalt ist kein Etat dafür vorgesehen. Stattdessen können sich die Steuerpflichtigen bei der bis Anfang Juli befristeten Steuererklärung per Kreuzchen entscheiden, ob sie 0,7 Prozent ihrer Lohn- und Einkommensteuer entweder der katholischen Kirche oder anderen sozialen Zwecken zukommen lassen. Diese Abgabe ist Pflicht.
Kreuzt man selbst bzw. der beauftragte Steuerberater nichts an, wandern die 0,7 Prozent für nicht näher bestimmte Vorhaben in die allgemeine Staatskasse. Entscheidet man sich für eine doppelte Ankreuzung für die Kirche und für andere soziale Zwecke, kommt es nicht zu einer gleichberechtigten Aufteilung; es wird die doppelte Abgabe fällig.
Spaniens Kirche wirbt offensiv um die Steuergelder und fährt dafür jedes Jahr einen mächtigen Werbeetat auf. Die PR-Maschinerie umfasst Zeitungsanzeigen, Aufklärung auf Internetseiten und YouTube-Videos. Zu bestellen sind überdies Plakate unterschiedlicher Größe, auch in den Regionalsprachen Baskisch, Katalanisch, Galizisch.
Der Tenor: "Gemeinsam können wir eine bessere Welt schaffen"
Die breitenwirksamsten Appelle erfolgen über Spots im Radio und TV, auf unterschiedlichsten Kanälen und Frequenzen. Ein 40-Sekunden-Einspieler im TV, unterlegt von dramatischer Musik, komprimiert die gesellschaftlichen Aufgabengebiete der Kirche und rückt Seniorenbetreuung, Schulen, Familien und die spirituelle Arbeit ins Bild. Der Tenor: "Gemeinsam können wir eine bessere Welt schaffen."
In den 15-Sekunden-Radiospots sind die Ansagen gleichermaßen klar: "Ich mache immer ein Kreuz für die Kirche, damit ich selbst über die 0,7 Prozent meiner Steuern entscheide." Oder: "Ich mache ein Kreuz für die Kirche, weil ich will, dass mit diesem Teil meiner Steuern das Evangelium alle Menschen erreicht."
Einnahmen durch die Steuergelder beständig erhöht
Die Steuergelder sind natürlich nicht die einzigen Einnahmen der Kirche. Spaniens Klerus hat großen Immobilienbesitz; außerdem fließen Spendengelder. Doch ein Blick auf die Statistik der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass sich die Einnahmen durch die Steuergelder beständig erhöht haben. Laut einer Mitteilung der Bischofskonferenz stiegen die absoluten Zahlen für 2017 um 56.000 auf 7,34 Millionen Steuererklärungen zugunsten der Kirche; ein Anteil von knapp 35 Prozent.
Seit der Einführung des Systems 2006 hat sich die Zahl der Steuererklärungen zugunsten der Kirche um 864.000 erhöht. Das klingt überraschend, denn das einst erzkatholische Spanien hat, wie andere Länder im Westen, mit sich leerenden Kirchenbänken und auch mit Priesterschwund zu kämpfen.
Mit den massiven Aufklärungskampagnen und Werbemaßnahmen wird nicht zuletzt das Bewusstsein für die Integration von Fremden und die Versorgung Notleidender geschärft. Ohne kirchliche Initiativen und Ausgabestellen von Kleidung und Nahrung für Bedürftige sähe das gesellschaftliche Panorama deutlich düsterer aus. Denn mit den sozialstaatlichen Maßstäben Deutschlands kann es Spanien nicht aufnehmen.