Kirche warnt vor "Regime des Terrors" in El Salvador

Präsident geht hart gegen Banden vor

Mit seiner knallharten Strategie gegen bewaffnete Gangs führt El Salvadors Präsident Nayib Bukele die Umfragen der beliebtesten Staatschefs in Lateinamerika an. Kardinal Rosa Chavez warnt vor autoritären Verhältnissen.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kathedrale von San Salvador / ©  Joachim Heinz (KNA)
Kathedrale von San Salvador / © Joachim Heinz ( KNA )

Seit nun vier Jahren ist El Salvadors Präsident Nayib Bukele im Amt. Stimmen die Umfragen verschiedener Meinungsinstitute, dann ist der 41-Jährige das Staatsoberhaupt mit den höchsten Zustimmungsraten in Lateinamerika. Die Bevölkerung steht überwiegend hinter dem knallharten Kurs, mit dem Bukele seit über einem Jahr gegen die bewaffneten Banden vorgeht. Mit Hilfe eines immer wieder verlängerten Ausnahmezustandes wurden seitdem fast 70.000 mutmaßliche Bandenmitglieder verhaftet. Dafür wurde eigens ein riesiges Gefängnis gebaut.

Bukele rechnet vor, mit ihm habe sich die Sicherheitslage im Land deutlich verbessert, die Mordrate sei erheblich gesunken, außerdem seien Handel und Gewerbe von Schutzgelderpressungen der sogenannten Mara-Banden befreit worden. In weiten Teilen der Bevölkerung erntet er deshalb Zustimmung.

Kardinal Chavez scharfer Kritiker des Ausnahmezustandes

Ganz anderes bewertet allerdings der salvadorianische Kardinal Gregorio Rosa Chavez die Situation. Rosa Chavez war ein persönlicher Freund des 1980 erschossenen und inzwischen heiliggesprochenen Bischofs Oscar Arnulfo Oscar Romero und gilt im Land als so etwas wie dessen moralischer Nachfolger. Deswegen hören die mittelamerikanischen Medien genau hin, wenn Kardinal Rosa Chavez über eine aktuelle Funkstille zwischen der Kirche und der Regierung Bukele spricht.

Kardinal Gregorio Rosa Chavez / © Joachim Heinz (KNA)
Kardinal Gregorio Rosa Chavez / © Joachim Heinz ( KNA )

Statt eines Dialogs habe sich zwischen Kirche und Regierung eine Art Mauer gebildet, "etwas, dass es in dieser Form zuvor noch nie gegeben hat", zitiert das Portal "Voz de America" den Kardinal. Rosa Chavez gilt als scharfer Kritiker der Massenverhaftungen und des Ausnahmezustandes. Bukele habe mit Hilfe dieser Maßnahmen ein "Regime des Terrors" installiert. Das wiederum hat Konsequenzen für den Kardinal. Er habe zuletzt Drohungen erhalten, ihm sei vorgeworfen worden, "vom gleichen Teller wie die Banden zu essen", berichtete er.

Kardinal Chavez will Beispiel Oscar Romeros weiterhin folgen

Genau das aber sei die Aufgabe der Kirche, auch mit den Sündern zu sprechen. Er werde deshalb dem Beispiel Romeros weiter folgen und an der Seite der Armen stehen, bis zur letzten Konsequenz, ließ Rosa Chavez wissen. San Salvadors Erzbischof Jose Luis Escobar Alas verteidigte dagegen zuletzt das Vorgehen der Regierung: "Jede zivilisierte Gesellschaft verfolgt Verbrechen", betonte er.

In der vergangenen Woche meldete sich auch das UN-Menschenrechtskommissariat zu Wort und versuchte einen Spagat: "Wir sind uns der komplexen Herausforderung bewusst, vor der El Salvador bei der Bekämpfung der Kriminalität steht, sowie des großen Leids, das von den Banden des Landes verursacht wird, die seit Jahrzehnten die Bevölkerung ermorden, vergewaltigen, ausrauben und erpressen", hieß es in einer Stellungnahme des Büros.

Präsident liebäugelt mit erneuter Kandidatur

Die Schwächung der Rechtsstaatlichkeit und der Integrität des Rechtssystems durch die Abschaffung des Rechts auf ein faires Verfahren sei jedoch keine Lösung, so die Erklärung weiter. Das Menschenrechtsbüro fordert die Behörden auf, den Ausnahmezustand aufzuheben und die drastischen Maßnahmen zu überprüfen. "Außerdem fordern wir die Behörden auf, alle Todesfälle in Haft unverzüglich nach internationalen Standards zu untersuchen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Angehörigen der Opfer Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu garantieren."

Ob das Wirkung zeigt, ist fraglich. Bukele liebäugelt mit einer - in der Verfassung eigentlich nicht vorgesehenen - erneuten Kandidatur. Dazu müsste entweder die Verfassung geändert oder auf juristischem Wege eine Kandidatur durchgeboxt werden. Um das zu erreichen, braucht er die Rückendeckung der Straße. Die dürfte Bukele solange haben, wie er die gewalttätigen Gangs von der Straße holt - auch um den Preis, dass darunter einige Unschuldige mit ins Gefängnis wandern.

Kirche Lateinamerikas in Zahlen

Lateinamerika heißt auch der "katholische Kontinent". Mehr als 537 Millionen und damit über 40 Prozent aller getauften Katholiken leben in dieser Weltregion, die maßgeblich durch vier Jahrhunderte spanischer und portugiesischer Kolonialgeschichte geprägt ist. Rund 86 Prozent der Menschen in Lateinamerika sind laut statistischen Angaben des Vatikan katholisch.

 (DR)
Quelle:
KNA