DOMRADIO.DE: Was war Ihre erste Reaktion auf den Wahlausgang in Thüringen?
Liane Bednarz (Juristin und Autorin): Es hat mich einerseits natürlich entsetzt. Auf der anderen Seite war ich nicht so überrascht, weil man eben leider schon länger sehen kann, dass es am rechten Rand der Unions-Parteien und offensichtlich auch am rechten Rand der FDP durchaus Bestrebungen gibt, die AfD nicht so kritisch zu sehen, wie das eigentlich opportun wäre.
DOMRADIO.DE: Es wird ja gerade ganz heiß diskutiert, ob es da wirklich Absprachen gab, auch zwischen FDP und AfD. Gab es die denn?
Bednarz: Das kann man so natürlich nicht nachweisen. Ich würde vielleicht nicht von Absprachen sprechen. Aber es ist natürlich so, dass Parteien im Vorfeld genau durchkalkulieren, wie gerade in so einer kritischen Lage Abstimmungen ausgehen können. Jetzt so zu tun, als habe man das nicht zumindest ahnen können, halte ich wirklich für eine reine Schutzbehauptung.
Herr Höcke hat sowohl Herrn Mohring als auch Herrn Kemmerich unmittelbar nach der Thüringen-Wahl Anfang November angeboten, auch eine Minderheitsregierung zu tolerieren. Das heißt, dieses Angebot stand im Raum. Da konnte man schon ahnen, was passieren kann.
DOMRADIO.DE: Jetzt reagiert gerade das politische Berlin. Jüdische Gemeinden und Verbände melden sich zu Wort. Was raten Sie? Wie sollten sich zum Beispiel die Kirchen in Thüringen zu dieser Lage äußern? Oder sollten sie sich ganz raushalten?
Bednarz: Nein, die Kirchen haben natürlich schon eine Verantwortung. Kirche wirkt immer auch in die Gesellschaft hinein. Da, wo politische Parteien den Werten der Kirche diametral entgegen stehen - wie das eben bei der AfD von Herrn Höcke in Thüringen der Fall ist - müssen sich die beiden Kirchen natürlich sehr klar positionieren und sagen, dass derart radikal rechtes Gedankengut mit den Werten der Kirchen und dem, was Jesus Christus verkündet hat, nicht kompatibel ist.
DOMRADIO.DE: Welchen Einfluss haben denn rechte Christen in Deutschland? Denn es gibt sie ja.
Bednarz: Deren Einfluss ist natürlich vor allem im vorpolitischen Raum signifikant, weil sie gut organisiert sind und weil sie eben auch rechte Feindbilder transportieren und es leichter haben, in die bürgerliche Mitte vorzudringen als säkular-rechte Bewegungen. Denn jemand, der als Christ auftritt, genießt natürlich oftmals einen gewissen Vertrauensvorschuss.
DOMRADIO.DE: Was kann man als Christ denn ganz konkret dagegen tun?
Bednarz: Man kann vor allen Dingen da, wo man in seinem eigenen christlichen Umfeld merkt, dass Menschen so anfangen zu sprechen, versuchen, diese Menschen wieder davon abzubringen. Das ist sehr zentral, und das kann tatsächlich auch jeder tun, der in irgendeiner Form davon betroffen ist. Es gibt von der Deutschen Bischofskonferenz seit letztem Sommer eine wunderbare Orientierungshilfe zum Umgang mit Rechtspopulismus. Die kann ich insbesondere Katholiken nur empfehlen.
Das Interview führte Verena Tröster.
Infos zum Buch:
Liane Bednarz: "Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern", Droemer, ISBN-13: 978-3426277621