Kirche zum Tauziehen um Koma-Patientin

"Tief enttäuscht"

In Italien mündet der Streit um die Wachkoma-Patientin Eluana Englaro in ein politisches Tauziehen an der Staatsspitze. Trotz der Ankündigung von Staatspräsident Giorgio Napolitano, ein Eildekret gegen den geplanten Abbruch der künstlichen Ernährung bei der 38-jährigen Norditalienerin nicht zu unterzeichen, verabschiedete das Kabinett am Freitag einen entsprechenden Beschluss. Die Kirche zeigt sich enttäuscht.

 (DR)

Wegen verfassungsrechtlicher Mängel verweigerte Napolitano daraufhin am Nachmittag seine Unterschrift. Vertreter der Opposition warfen Ministerpräsident Silvio Berlusconi laut italienischen Medien vor, gezielt einen Verfassungskonflikt zu suchen.

Napolitano, der selber wiederholt ein Gesetz zu Fragen des Lebensendes gefordert hatte und als Gegner der Sterbehilfe gilt, hatte in einem Brief an die Regierung dargelegt, dass er ein Gesetzesdekret im Fall Englaro nicht von der Verfassung gedeckt sehe. Dennoch formulierte der Ministerrat einen Erlass, der einen Abbruch der künstlichen Ernährung bei nicht entscheidungsfähigen Personen untersagen sollte.

Das Verbot solle bis zu einer umfassenden rechtlichen Regelung durch ein parlamentarisches Verfahren in Kraft bleiben. Berlusconi begründete seinen Vorstoß gegen das Votum des Staatspräsidenten mit Gewissensgründen. "Ich würde mich der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber einer Person in Lebensgefahr schuldig fühlen", sagte er laut dem Fernsehsender RAI
(Online-Dienst) vor Journalisten.

"Tief enttäuscht"
Kurienkardinal Renato Raffaele Martino, Präsident des vatikanischen Menschenrechts-Rates, äußerte sich laut der Zeitung "La Repubblica"
(Online-Ausgabe) "tief enttäuscht" über die Weigerung Napolitanos. Bischof Elio Sgreccia, früherer Chef-Bioethiker des Papstes, betonte, Eluana Englaro habe ein Recht zu leben. Die Politik müsse dies mit den verfügbaren Mitteln unterstützen.

Unterdessen begann in der privaten Pflegeeinrichtung "La Quiete", in der sich Englaro seit Dienstag aufhält, die Reduzierung der Ernährung. Es ist geplant, die Zufuhr von Nahrung und Wasser schrittweise einzuschränken, um die 38-jährige Frau sterben zu lassen. Das Thema bestimmt seit Tagen die italienischen Medien und spaltet die Öffentlichkeit. Englaro liegt seit einem schweren Verkehrsunfall 1992 ins Koma.