So äußerten sich der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Manfred Kollig, und der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Jörg Antoine.
Das Gericht hatte am Donnerstag einer abgelehnten muslimischen Lehramtsbewerberin mit Kopftuch bei einer Entschädigungsklage Recht gegeben. Zugleich forderte es, das Berliner Neutralitätsgesetz müsse anders ausgelegt werden als bisher. So dürfe der Staat Lehrkräften nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens verbieten, auffällige religiöse Kleidungsstücke zu tragen, so das Gericht. Es berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Erzbistum Berlin lobt Entscheidung
Kollig nannte die Entscheidung "ein gutes Zeichen, dass staatliche Neutralität und persönliche Überzeugung sich nicht ausschließen". Das bestätigten auch Erfahrungen in den katholischen Schulen oder im Religionsunterricht. Wo "religiöse Überzeugungen offen gezeigt werden dürfen, wo jemand seinen Standpunkt vertreten darf, regt das zu Fragen und Diskussionen an", so der Verwaltungschef des Erzbistums.
"Es diskriminiert nicht und schließt nicht aus. Es führt dazu, andere Überzeugungen besser zu verstehen, ohne sie übernehmen zu müssen." Ein Verbot könne nicht die bessere Lösung sein, betonte Kollig.
Antoine äußerte die Hoffnung, "dass die Entscheidung Berlin hilft, sich zu mehr religiöser Toleranz durchzuringen". Der Staat dürfe eine Gefährdung des Schulfriedens nicht nur abstrakt behaupten, sie müsse auch konkret gegeben sein, betonte der Chefjurist der EKBO. "In einer Schule in Neukölln, wo muslimische Schüler auf Schülerinnen Druck ausüben, um diese zu einem Kopftuch zu zwingen, ist die Situation gänzlich anders als in einer Zehlendorfer Schule mit kaum muslimischen Schülerinnen."
Mit anderen Auffassungen umgehen
In Neukölln könne das Kopftuch einer Lehrerin ein falsches Signal sein, in Zehlendorf wäre es ein Beitrag zu mehr Toleranz und Gelassenheit, so Antoine weiter. Grund- und Freiheitsrechte verlangten vom Staat um der Freiheit willen Differenzierungen. "Alle müssen wieder lernen, sich von Auffassungen konfrontieren zu lassen, die sie selbst nicht teilen", erklärte der Konsistorialpräsident.
Das Neutralitätsgesetz hatte die damalige Berliner Koalition von SPD und Linkspartei/PDS im Jahr 2005 verabschiedet. Die seit vergangenem Jahr regierende rot-rot-grüne Koalition ist in der Bewertung des Urteils uneins. Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) erklärten, das Neutralitätsgesetz habe sich bewährt, und es gebe keine Pläne, es zu ändern. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bezeichnete das Urteil dagegen als Anfang vom Ende des Neutralitätsgesetzes. Auch die Linkspartei forderte, das Neutralitätsgesetz und die Einstellungspraxis bei Lehrkräften zu überprüfen.