Kirchen debattieren über US-Gesundheitsreform

In der Zwickmühle

Es geht ein Riss durch die Vereinigten Staaten. Seit US-Präsident Barack Obama ankündigte, das marode Gesundheitssystem des Landes reformieren zu wollen, ist die Gesellschaft in Gegner und Befürworter des Projekts gespalten. Auch im kirchlichen Lager ist die Stimmung zwiegespalten.

Autor/in:
Esther-Marie Merz
 (DR)

Laut jüngsten Umfragen lehnt mittlerweile mehr als jeder zweite Amerikaner das Vorhaben ab - obwohl Obama bei der besonders heftig umstrittenen Einführung einer staatlichen Krankenversicherung inzwischen Kompromissbereitschaft signalisierte.

Angesichts der Tatsache, dass die USA die einzige Industrienation sind, in der jedem sechsten Bürger jeder Versicherungsschutz fehlt, scheint ein grundsätzlicher Umbau des Systems dringend geboten. Dass aber künftig auch Abtreibungen flächendeckend mit öffentlichen Geldern finanziert werden könnten, sorgt für teils heftigen Widerspruch - mit verbalen Ausfällen und Saalschlachten.

Katholische Kirche stellt eigenes Gesundheitspaket vor
Die katholische Bischofskonferenz fordert auf einer eigens lancierten Internetseite eine "wahrhaft umfassende Gesundheitspolitik mit Respekt vor dem menschlichen Leben und seiner Würde". Dazu gehöre auch, dass Mediziner nicht gezwungen werden dürften, gegen ihren Willen an Schwangerschaftsabbrüchen mitzuwirken.

Die Bischöfe wissen sehr wohl, dass sie sich in einer Zwickmühle
befinden: Seit Jahren schon fordern sie eine Reform des Gesundheitssystems - mit Einführung einer staatlichen Krankenkasse, die auch die vielen Einwanderer mit einbeziehen soll. Auf ihrer Homepage stellen sie ein eigenes Gesundheitspaket vor, das dieses Anliegen aufnimmt und gleichzeitig den Bedenken gegen Obamas aktuelle Pläne Rechnung trägt. Die Krux an der Sache: Aus dem Reformvorschlag geht nicht hervor, wie er finanziert werden soll. Doch genau darin liegt für viele Amerikaner die größte Sorge. Sie sind in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht bereit, für ein neues Gesundheitssystem höhere Steuern zu zahlen.

Konservative: Gottlos und böse
Obamas Befürworter betonen unterdessen die sozialen Aspekte der Reform. Die Vorsitzende der katholischen Organisation Network, Simone Campbell, sagte im christlichen Nachrichtensender CBN, Obama gehe es vor allem um die ärmere Bevölkerungsschicht, die aus dem bestehenden System herausfalle. Bislang sei es privaten Versicherungen nicht gelungen, diesen Personenkreis zu integrieren. Und genau hier, so Campbell weiter, setze die US-Regierung an und versuche die Löcher zu stopfen. Daher sei die Gesundheitsreform ein zu wichtiges Projekt, um es einzig und allein auf die Abtreibungsfrage zu reduzieren.

In extrem konservativen Kreise verhallt dieser Appell zur Mäßigung allerdings ungehört. So verurteilte der prominente evangelikale Pastor Harry Jackson im Fernsehsender C-SPAN die vorliegenden Reformpläne unlängst als gottlos und böse. Es sind solche polemischen Aussagen, die derzeit den Ton vieler Diskussionen bestimmen. Ein Blick in die zahllosen Internetforen zum Thema belegt, wie verunsichert auch konfessionell ungebundene Amerikaner sind. Die Gesundheitsreform, jenes Mammutprojekt, an dem zuletzt auch Bill Clinton (1993-2001)scheiterte, droht auch dem politischen Ansehen seines so hoffnungsvollen Amtsnachfolgers Obama langfristig zu schaden.