Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, veröffentlichten am Montag eine gemeinsame Erklärung. An solche Katastrophen dürfe sich niemand gewöhnen, heißt es darin. Es brauche sofort eine Seenotrettungsmission in europäischer Verantwortung. Das hatten auch Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen verlangt.
Ein Jahr lang habe die italienische Operation "Mare Nostrum" Vorbildliches geleistet, betonten Marx und Bedford-Strohm. Die Nachfolgemission "Triton" der EU-Grenzschutzbehörde Frontex halten die beiden Geistlichen jedoch für unzureichend. Ihr Hauptzweck sei nicht die Rettung Schiffbrüchiger, sondern der Grenzschutz. Zudem seien das Beobachtungsgebiet stark eingeschränkt und die Gelder dafür begrenzt worden. "Deshalb fordern wir mit Nachdruck, zu einem durchgreifenden Konzept der Seenotrettung zurückzukehren."
"Mittelmeer als Massengrab"
Auch der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, sieht einen Ausbau der Seenotrettung als erste und wichtigste Maßnahme. Erzbischof Schick sagte im Interview mit domradio.de, dass sich seit Jahren nichts ändere, mache ihn wütend. Europa müsse jedem helfen, der in Not gerate. Daneben rief der Weltkirche-Bischof dazu auf, die nordafrikanischen Staaten zu stabilisieren, vor allem Libyen und Tunesien. Ziel müsse es sein, dass die Länder politisch wieder handlungsfähig seien, um Schleppern vor Ort das Handwerk zu legen.
Auch der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle zeigte sich erschüttert. "Mit Trauer und Zorn nehme ich wahr, dass das Mittelmeer zum größten Massengrab Europas geworden ist", sagte Trelle. Papst Franziskus hatte bereits am Sonntag beim Mittagsgebet eine "schnelle und entschiedene" Reaktion der internationalen Gemeinschaft verlangt und zum stillen Gebet aufgerufen.
Mindestens 700 Tote befürchtet
In der Nacht zum Sonntag war vor der libyschen Küste ein Flüchtlingsboot gekentert. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR waren rund 700 Menschen an Bord, von denen 28 gerettet werden konnten. Ein Überlebender berichtete gegenüber Medien von 950 Bootsinsassen. Unterdessen gibt es Berichte über weitere Flüchtlingsschiffe in Seenot.
Ebenso wie die Kirchen forderten auch die Vereinten Nationen, Politiker und Hilfsorganisationen eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft und der EU. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, das Mittelmeer sei weltweit die tödlichste Route für Flüchtlinge geworden.
Bundesregierung: Schlepperbanden bekämpfen und Lage in Nordafrika stabilisieren
Die Bundesregierung nannte die Bekämpfung von Schlepperbanden einen zentralen Punkt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Wir müssen und werden alles tun, um den Kampf gegen Schleuser und Schlepper aufzunehmen und fortzusetzen". Ebenso müssten die Ursachen für die Flucht in den Blick genommen werden.
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte, die afrikanischen Transit- und Herkunftsländer stärker in den Blick zu nehmen. "Das wichtigste Transitland ist im Augenblick Libyen - ein Land, das dabei ist zu zerfallen, wenn wir nicht den Prozess unterbrechen und umkehren." Schleuserbanden machten sich die instabile Lage dort zunutze. Die EU müsse sich daher entschieden um die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit in Libyen bemühen. Die Schwierigkeiten in Nordafrika seien "nicht kurzfristig zu lösen", räumte Steinmeier ein. Am Montagnachmittag berieten die EU-Innen- und Außenminister in Luxemburg über die aktuelle Lage. Im Vorfeld warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor zu großen Erwartungen.