Kirchen kritisieren Lieferungen in Spannungsgebiete

Rüstungsexporte als Sicherheitsrisiko

Deutschland exportiert immer mehr Waffen in Entwicklungsländer. Das geht aus dem Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, GKKE hervor. Das Papier wurde am Montag vorgestellt. Die ökumenische Organisation kritisiert darin vor allem die Abkehr von dem Grundsatz, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern. Der katholische GKKE-Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten, mahnte deshalb im domradio-Interview ethischere Entscheidungen der Bundesregierung an. Es müsse sichergestellt werden, dass Waffen nicht über Drittländer in Spannungsgebiete geliefert werden.

 (DR)

domradio-Interview

Bundeswirtschaftsministerium ohne Kommentar
Der evangelische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), Prälat Stefan Reimers, sprach am Montag in Berlin von einem "rasanten Anstieg" beim Export von Kriegswaffen. Sie seien von 1,13 Milliarden Euro im Jahr 2004 um mehr als 40 Prozent auf 1,6 Milliarden im Berichtsjahr 2005 gestiegen. Auch das Volumen der Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter stieg laut GKKE von 3,8 auf 4,2 Milliarden Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich zunächst nicht zu der Kritik äußern.

Die GKKE forderte von der Bundesregierung, sich während ihrer EU-Rats-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 dafür einzusetzen, den EU-Verhaltenskodex zu Rüstungsexporten zu einem gemeinsamen Standpunkt des EU-Rates aufzuwerten. Damit würde er von einer reinen Willenserklärung zu einer verbindlichen Verpflichtung. Dies ist nach Ansicht der GKKE umso dringlicher, da auch Frankreich und Großbritannien zu den großen Rüstungsexporteuren gehören.

Lieferung in Kriegsgebiete
Reimers betonte, die derzeitige deutsche Exportpraxis sei keine restriktive Politik, wie die Bundesregierung behaupte, sondern eine expansive Praxis. Mit "großem Befremden" nähmen die Kirchen auch zur Kenntnis, dass das die Ausfuhren in Entwicklungsländer einen großen Teil der Exporte einnähmen. Diese Länder erhielten laut Bericht Rüstungsgüter im Wert von 1,65 Milliarden Euro. Der Autor des GKKE-Berichts, Bernhard Moltmann, kritisierte vor allem die Lieferung in Länder der Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens. Er wertete dies als "Abkehr vom Grundsatz, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern". Dabei beklagte er etwa die Lieferung gepanzerter Fahrzeuge an Israel, da diese auch im Konflikt mit Palästinensern eingesetzt werden könnten.

Obwohl Deutschland den EU-Verhaltenskodex für Rüstungsausfuhren übernommen hat, erteilte Berlin laut Bericht in 46 Fällen Ausfuhrgenehmigungen, ohne dass wesentliche Kriterien dieser Verhaltenregeln erfüllt gewesen seien. 12 der als "problematisch"
eingestuften Länder befinden sich laut Moltmann im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika, 13 in Ost- und Südostasien, 7 in Subsahara-Afrika, 6 in Osteuropa und Kaukasus und je 4 in Lateinamerika und Zentralasien.

Ferner gingen dem Bericht zufolge Rüstungsgüter in 36 Staaten, die nicht oder nur beschränkt Menschen- und Bürgerrechtsstandards respektierten. Weitere 21 Empfängerstaaten achten demnach nur bedingt internationale Rüstungskontrollabkommen. 19 Staaten genügten nicht den Kriterien der "guten Regierungsführung" oder der "Gewaltkonflikte". Weitere 17 Staaten verstoßen gegen die Forderung nach einer "nachhaltigen Entwicklungsstrategie".

"Weißbuch 2006 ist unbefriedigend"
Der katholische GKKE-Vorsitzende Prälat Karl Jüsten mahnte, dass es bei Rüstungsexporten "nicht nur um Sach-, sondern auch um Wertentscheidungen" gehe. Er kritisierte in diesem Zusammenhang das "Weißbuch 2006" zur Sicherheitspolitik der Bundeswehr. Die Aussagen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung seien unbefriedigend, das Buch weise zudem eine erhebliche Akzentverschiebung auf. So gälten Rüstungsexporte nun "als flankierendes Instrument, um den Bestand der Rüstungsproduktion in Deutschland zu gewährleisten". Jüsten warnte eindringlich davor, rüstungspolitische Entscheidungen von betrieblichen Interessen leiten zu lassen.

Moltmann verlangte zudem mehr Transparenz in der Rüstungsexportpolitik. Vor allem die so genannten Sammelgenehmigungen im Umfang von rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2005 seien kaum nachzuvollziehen. Sie beziehen sich auf Exporte im Rahmen von staatenübergreifenden Rüstungskooperationen. Die GKKE sprach hier von einem "schleichenden Verlust an Kontrollfähigkeit". Zudem zeigte sich die GKKE besorgt über den hohen Anteil an kleinen und leichten Waffen, da sie das Fortdauern gewaltsamer Konflikte gerade in Entwicklungsländern begünstigten.

Das Bundesentwicklungsministerium sprach davon, regelmäßige Berichte aus der Zivilgesellschaft seien hilfreich, weil sie Anlass gäben, die eigene Politik zu überprüfen. Das Ministerium setze sich stets für eine restriktive Rüstungsexportpolitik in Entwicklungsländer ein, sagte ein Sprecher vor Journalisten.