Die grundsätzliche Doppelausrichtung des Förderns und Forderns sei prinzipiell nachvollziehbar, erklärte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Karl Jüsten, am Mittwochabend in Berlin. Problematisch sei allerdings unter anderem, dass keine Aufstockung der Mittel für Integrationsmaßnahmen vorgesehen sei. Die Förderung eines ausreichenden Angebots sei aber dringend erforderlich, um die Integration der Zuwanderer zu erleichtern.
Wenig hält die Kirche auch von der geplanten Verschlechterung der Stellung von anerkannten Flüchtlingen beim Erwerb einer Niederlassungserlaubnis. "Das sehen wir äußerst kritisch", so Jüsten. Viele der Flüchtlinge seien verfolgt worden und hätten traumatisierende Erlebnisse durchlitten. Sie bräuchten einen sicheren Aufenthaltstitel. Eine Niederlassungserlaubnis soll laut Entwurf erst nach fünf Jahren erteilt werden können. Voraussetzung ist, dass Sprachkenntnisse nachgewiesen werden, der Lebensunterhalt gesichert ist und ausreichender Wohnraum nachgewiesen wird.
Für Flüchtlinge sollen damit die gleichen Voraussetzungen wie für andere Migranten gelten. Die Situation beider Gruppen sei aber nicht miteinander vergleichbar, so die Kirche. "Die Niederlassungserlaubnis schafft diese Sicherheit und hilft deshalb oft Ressourcen freizusetzen", erläuterte Jüsten. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention verpflichte die Staaten, die Eingliederung und Einbürgerung in den Aufnahmestaat für Flüchtlinge soweit wie möglich zu erleichtern. Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, kritisierte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst ebenfalls die erschwerte Niederlassungserlaubnis. Das sei ein falsches Signal an Menschen, die das Gefühl benötigten, sicher zu sein.
Kritik an Wohnsitzauflage
Die Kirchen kritisieren auch die geplante Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge, die in den Augen der Koalition verhindern soll, dass die Mehrheit der Flüchtlinge in Großstädte zieht und soziale Brennpunkte entstehen. Durch die Zuweisung des Wohnorts könnten auch Hindernisse für Integration entstehen. »So entwickeln sich gerade durch Kontakte zu Familienangehörigen und Landsleuten Arbeitsgelegenheiten«, argumentiert Dutzmann.
Die Wohnsitzauflage soll aber nur diejenigen betreffen, die Sozialleistungen wie Hartz IV beziehen. Diese Vorgabe müsse auch eine Regelung für Härtefälle enthalten, forderte Jüsten. "Wir plädieren dafür, dass bei der Verteilung auch familiäre Bindungen berücksichtigt werden, die über die Kernfamilie hinausgehen."
Gesetz soll Ende des Monats in den Bundestag eingebracht werden
In einer gemeinsamen Stellungnahme der Büros von EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Berlin wird besonders scharf auch die erneute Schnelligkeit der Gesetzgebung kritisiert. Die kurze Frist von nur zweieinhalb Werktagen erlaube es nicht, jeden Aspekt des Entwurfs mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen. "Die Kirchen bitten nachdrücklich darum, Gesetzgebungsprozesse wieder so zu gestalten, dass die Fachexpertise von Verbänden, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen von Anfang an Berücksichtigung finden kann", heißt es. Gesetze im Schnellverfahren hatten bereits bei den Asylpaketen für Unmut bei den Verbänden gesorgt.
Das Integrationsgesetz folgt dem Prinzip des "Förderns und Forderns". Vorgesehen sind zum Einen mehr Jobmöglichkeiten und Integrationskurse. Auf der anderen Seite sollen Integrationspflichten festgeschrieben werden, die bei Nichteinhaltung sanktioniert werden können - beispielweise durch Leistungskürzungen. Auch dagegen protestieren die Kirchen in ihrer Stellungnahme. Das Integrationsgesetz, für das Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gemeinsam zuständig sind, soll nach dem Zeitplan der Koalition bei der Kabinettsklausur am 24. und 25. Mai in Meseberg abschließend beraten werden, bevor es dem Bundestag zugeleitet wird.