KNA: Die Deutsche Bischofskonferenz empfiehlt wegen des Coronavirus besondere Vorsichtsmaßnahmen in den Gottesdiensten und bei anderen kirchlichen Aktivitäten. Ihre Amtsbrüder legen die Empfehlungen unterschiedlich aus. Wie halten Sie es damit, beispielsweise beim Friedensgruß?
Erzbischof Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Ich weiß aus vielen Gemeinden, dass die Empfehlungen angemessen umgesetzt werden. Ich appelliere, alle Bemühungen zu unterstützen, die eine Ausbreitung von Corona verzögern helfen. Dazu gehört definitiv, Körperkontakt zu vermeiden.
KNA: Wie gehen Sie damit um, wenn ein Gottesdienstbesucher erkennbar die Mundkommunion wünscht, anstatt die geweihte Hostie auf der Hand zu erhalten?
Koch: Ich baue auf die Einsicht der Menschen, dass es dringender ist, die Ausbreitung des Virus zu verzögern als private Frömmigkeitsformen zu verabsolutieren.
KNA: Welche weiteren dienstlichen Verpflichtungen als Erzbischof werden Sie bis auf weiteres unterlassen?
Koch: Für mich ergeben sich ganz aktuell Konsequenzen. Zwei Beispiele: Die Visitation in Wedding haben wir stark reduziert und verzichten auf größere Veranstaltungen. Auch die Sitzung der Kommission "Ehe und Familie" der Deutschen Bischofskonferenz - eine Veranstaltung auf Bundesebene in der nächsten Woche - ist bereits abgesagt. Die Situation verändert sich fast stündlich. Wir gleichen die Empfehlungen ständig mit unseren Angeboten ab. Wenn von einer Einschränkung bei Gottesdienstangeboten auch unsere Gottesdienste betroffen sind, werden wir uns danach richten. Unser Blick richtet sich auf Firmungen, Erstkommunion-Feiern und auf das Osterfest.
Sämtliche dienstlichen Verpflichtungen werden auf ihre Notwendigkeit hin laufend überprüft.
KNA: Wie sollten es die Seelsorger mit den Besuchen von Kranken und Sterbenden halten?
Koch: Wir sind in dieser Situation als Seelsorger gefordert. Kranke und Sterbende zu besuchen und ihnen beizustehen ist Christenpflicht. Als Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen wir auch Ängste und Nöte ernst nehmen. Alle Einrichtungen und Kirchen zuzusperren, kann keine angemessene Reaktion sein.
KNA: Sind in solchen Fällen pauschale Empfehlungen sinnvoll?
Koch: Empfehlungen sind wichtig, um den Menschen in ihrem Tun eine Entscheidungsgrundlage bieten und Orientierung geben zu können.
KNA: Welche seelsorglichen Dienste sollte die Kirche auch in Zeiten von Corona auf keinen Fall aufgeben?
Koch: Der Sonntag bleibt der Tag des Herrn. Schon immer können und sollen Kranke zuhause bleiben und können dennoch an der Feier des Sonntags teilnehmen. Es gibt Besuchsdienste, es gibt Gottesdienstübertragungen, es gibt die Möglichkeit, sich in der Familie zu versammeln. Die Sonntagspflicht ist bereits aufgehoben.
KNA: Italiens Kirche startet ein Webportal zur Viruskrise, könnte das ein Vorbild auch für Deutschland sein?
Koch: Wir sind längst und sehr vielfältig online auch seelsorgerisch tätig. Online und offline müssen wir dabei wissen: Unser Nächster bleibt unser Nächster, auch wenn wir größeren Anstand halten, auch wenn wir nur telefonisch oder online den Kontakt halten.
KNA: Was halten Sie in solchen Notsituationen von Seelsorge per Telefon oder Skype?
Koch: Die sozialen Kommunikationsmittel helfen uns, unseren Dienst zu tun.
KNA: Wie machen Sie den Menschen in dieser Krisensituation Mut?
Koch: Wir nehmen ihre Sorgen und Ängste ernst, wir stellen in den Mittelpunkt unserer Sorge die, die als Risikogruppen identifiziert wurden. Wir gehen dem nach, wie es ihnen geht. Wichtig ist auch eine große Solidarität: Wohl nirgends auf dieser Welt sind wir so gut gerüstet für eine Epidemie wie in Deutschland.
KNA: Wird es im Erzbistum weiterhin möglich sein, dass Gläubige in der Kirche beten können oder sollten die Kirchen auch außerhalb der Gottesdienste geschlossen werden?
Koch: Wir verfolgen, wie sich die Situation entwickelt. Kirchen können und sollen Zufluchtsorte sein, deshalb werden sie solange wie möglich offen gehalten. Wenn dafür die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, müssen wir das aussetzen.
Das Interview führte Gregor Krumpholz.