Kirchen suchen auf neuen Wegen das Gespräch mit Konfessionslosen

Steter Tropfen füllt das Glas

Neue Initiativen, die christliche Botaschaft unters Volk zu bringen, haben Konjunktur. Das zeigten die rund 100 Workshops der "Messe für Pastoral in der Diaspora". Am Wochenende fand die "Ideenbörse" im Bischof-Benno-Haus des Bistums Dresden-Meißen im sächsischen Schmochtitz statt.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

"Wir sterben aus": So beschreibt Joachim Kramer, der katholische Pfarrer im thüringischen Suhl, das Lebensgefühl in seiner Stadt. In den vergangenen 20 Jahren sank die Einwohnerzahl von 53.000 auf weniger als 40.000. Und der Geburtenrückgang hält ebenso an wie die Abwanderung. Mit ungewöhnlichen Ideen versuchen Kramer und andere, Impulse der Hoffnung in Suhl zu geben - und ihre Botschaft wieder in einer Stadt ins Gespräch zu bringen, wo inzwischen 85 Prozent der Bevölkerung keiner Kirche angehören.

"Sie müssen die Leute sagen lassen, was sie denken, statt ihnen etwas vorzusetzen". Dieser Satz eines wohlmeinenden Zeitgenossen gab Kramer den entscheidenden "Kick". Statt der üblichen Vortragsabende und Gesprächskreise, die fast nur die Kerngemeinde erreichten, wagte er mit anderen Christen im "roten Suhl" Neues.

"Kreuzweg" in der Einkaufsmeile
Im Jahr 2005 war es eine Ausstellung von Bildern des Malers Marc Chagall mit biblischen Motiven. Nach der Vorstellung der Reproduktionen in der örtlichen "Philharmonie" waren die Besucher eingeladen, jeweils eines der 43 Werke für drei Monate nach Hause zu nehmen und danach ihre Gedanken darüber zu Papier zu bringen. Zur großen Überraschung vieler beteiligte sich auch manch eingefleischter Anhänger der Linken - und ließ unerwartete Einsichten in die Botschaft der Bilder erkennen, die anschließend zusammen mit den Kommentaren ausgestellt wurden.

Ähnlich groß waren Beteiligung und Publikumsinteresse im Jahr darauf bei einem "Kreuzweg" in der Einkaufsmeile. Dem Aufruf zur künstlerischen Gestaltung von 18 schlichten, drei Meter hohen Holzkreuzen an Laternenpfählen folgten wieder viele, die sich sonst kaum über Kirchenschwellen wagen. "Sie haben uns viel mehr zu sagen, als wir gemeinhin annehmen", sagt Pfarrer Kramer. In seiner Gemeinde traf er wegen der Projekte auf viele Vorbehalte. "Doch heute spürt jeder, dass wir in der Stadt wieder wahrgenommen werden, auch wenn jetzt nicht mehr Menschen zur Beichte kommen", betont der dynamische Geistliche. "Steter Tropfen füllt das Glas" lautet das Motto des ökumenischen Stadtkirchenfestes im kommenden Jahr.

Wanke: "Mentalitätswandel" in der Glaubensverkündigung
In Joachim Wanke hat der Suhler Pfarrer einen Verbündeten. Der Bischof des Bistums Erfurt leitet die Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und tritt nachdrücklich für einen "Mentalitätswandel" in der Glaubensverkündigung ein. Er fordert mehr "Anknüpfungspunkte" für solche Menschen, die mit kirchlicher Sprache und Brauchtum nichts mehr anfangen können. Schon zu DDR-Zeiten ging Wanke mit gutem Beispiel voran. Im Erfurter Dom führte er eine spezielle Christmette mit Erläuterungen der Weihnachtsbotschaft ein.

Die von Wankes Weihbischof Reinhard Hauke konzipierten und christlich inspirierten Feiern der Lebenswende für ungetaufte Jugendliche haben auch andere Bistümer als Alternative zur atheistischen Jugendweihe eingeführt. "Wir müssen dem Heiligen Geist eine Einflugschneise eröffnen, damit er landen kann", formuliert es salopp der Religionspädagoge Harald Schwillus von der Universität Halle-Wittenberg.

Auf das Bonifatiuswerk, das in einer Minderheitensituation lebenden Katholiken hilft, können pastorale Initiativen dieser Art bereits rechnen. Unterstützung erhalten sie aber auch von unerwarteter Seite. Seit zehn Jahren fördert Sachsen-Anhalt ausdrücklich "spirituellen Tourismus" zum Beispiel an der Straße der Romanik, die vor allem bedeutende Gotteshäuser dieser Epoche verbindet. Etwa jeder zehnte Tourist in dem Bundesland ist auf Sinnsuche, schätzt Christian Antz. Die Kirchen nähmen dies jedoch noch viel zu wenig wahr, stellt der Abteilungsleiter im Magdeburger Wirtschaftsministerium immer wieder fest.

Ein Eindruck, den auch Willi Kraning bestätigt. Der emeritierte Magdeburger Domkapitular begleitet in Sachsen-Anhalt regelmäßig Pilgergruppen auf dem dortigen Abschnitt des Jakobswegs. "Anfangs habe ich erst am Schluss des Weges gewagt, einen religiösen Text vorzulesen", berichtet der Theologe. "Bis ich gemerkt habe, dass auch die Teilnehmer ohne Taufschein darauf warteten."