Kirchenhistoriker kritisiert deutsche Bischöfe als mutlos

Mimimi zwischen Rhein und Oder

Kurz vor dem Ad-Limina-Besuch der deutschen katholischen Bischöfe in Rom kritisiert der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf Papst Franziskus. Den reformorientierten Bischöfen attestiert er Wehleidigkeit und Mutlosigkeit.

Die deutschen Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2022 im Fuldaer Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Die deutschen Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2022 im Fuldaer Dom / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Papst nehme Synodalität nicht ernst, sagte Wolf im Interview der Zeitschrift "Publik-Forum". "Was bei Franziskus synodal heißt, ist meiner Meinung nach nichts anderes als jesuitische Aktivierung. Alle sollen sich einbringen, aber am Schluss entscheidet der Ordensgeneral. Nur mit dem Unterschied, dass Franziskus nichts entscheidet."

Hubert Wolf, deutscher Historiker, in der Diözesanbibliothek Münster.  / © Andreas Kühlken (KNA)
Hubert Wolf, deutscher Historiker, in der Diözesanbibliothek Münster. / © Andreas Kühlken ( KNA )

Als Beispiel nannte Wolf die Amazonas-Synode. Dort wurde von einer Dreiviertelmehrheit der Synodalen beschlossen, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Das habe der Papst in seinem Schlussdokument schlicht ignoriert. Man müsse schon fragen, wie ernst Franziskus Synodalität nehme, wenn eine so klare Mehrheitsmeinung unter den Bischöfen nicht umgesetzt wird.

Mangelnder Einsatz für Reformen

Unter den deutschen Bischöfen nehme er Wehleidigkeit und mangelnden Einsatz für Reformen wahr, so Wolf weiter. "Wenn Kardinal Marx in der Liebfrauenkirche sagt, dass er für das Diakonat der Frau ist – warum beantragt er dann beim Papst keinen Indult [Sondergenehmigung; d, Red.]? Gemeinsam mit zehn weiteren Bischöfen, die auch dafür sind? Ob dazu viel Mut gehört, weiß ich nicht."

So könnten die deutschen Bischöfe an den Papst schreiben: "Nach dem Kirchenrecht hast du sechs Monate Zeit für eine Antwort. Und wenn keine kommt, machen wir es einfach, weil es die pastorale Situation verlangt." Sollte der Papst das Anliegen ablehnen, könnten sie ihren Amtsverzicht anbieten. "Es wäre spannend zu sehen, ob der Papst zehn Rücktritte annehmen würde."

Meistererzählung der Konservativen

Der Vorwurf, wonach die Deutschen eine Protestantisierung der katholischen Kirche wollten, sei "eine Meistererzählung der Konservativen, eine absolute Verkennung der deutschen Situation und der Diskussionslage im Synodalen Weg", so Wolf weiter. "Wer sich dort engagiert, will ja gerade an der Sakramentalität der Kirche festhalten."

Allerdings seien die reformorientierten Bischöfe in der Pflicht, die Vorbehalte und Bedenken der kurialen Mitarbeiter ernstzunehmen. "Wenn man die vatikanischen Archive kennt, weiß man, dass über das Wohl und Wehe eines Projekts oft die Mitarbeiter auf der zweiten und dritten Ebene entscheiden. Sie schreiben die entscheidenden Memos. Mit ihnen müsste man Gespräche führen, ihre Vorbehalte und Ängste entkräften."

Notwendigkeit von Patientenvollmachten 

Die Bischöfe sollten sich zudem überlegen, welche Leute sie für die Mitarbeit in der Kurie abstellen. Man dürfe "nicht nur Leute nach Rom schicken, die man in der Seelsorge nicht brauchen kann, und sich hinterher darüber wundern, dass sie wenig hilfreich sind."

Wenn er den Papst mit Blick auf ein künftiges Konklave beraten könnte, so Wolf, würde er empfehlen, die Notwendigkeit von Patientenvollmachten zu verfügen und das Prinzip der Zweidrittelmehrheit bei der Papstwahl wieder einzuführen. "Würde Franziskus ins Koma fallen, könnte niemand ihn absetzen." Es brauche "endlich eine klare Regelung".

Ad-limina-Besuch

Alle fünf bis sieben Jahre sind die katholischen Bischöfe aus aller Welt laut Kirchenrecht zu einem sogenannten Ad-limina-Besuch im Vatikan verpflichtet. Zweck ist, dass die Bischöfe eines Landes den Papst über die Situation in ihren Diözesen informieren. Neben den Gesprächen mit dem Papst sind Treffen in den Vatikanbehörden vorgesehen.

Ein Pileolus liegt auf dem Liedheft während des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischofe / © Massimiliano Migliorato/CPP (KNA)
Ein Pileolus liegt auf dem Liedheft während des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischofe / © Massimiliano Migliorato/CPP ( KNA )
Quelle:
KNA