Brot und Wein werden durch den Priester in Leib und Blut Christi verwandelt. Klar soweit - zumindest für die Gläubigen in unseren Breiten. So ist es ja schließlich immer gewesen... - Tatsächlich? Der evangelische Kirchenhistoriker Anselm Schubert von der Uni Erlangen-Nürnberg rüttelt mit seinem neuen Buch an vielen vermeintlichen Gewissheiten. Schon der Titel, "Gott essen - Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls", lässt aufhorchen.
Schubert hat Theologie und "Food History" zusammengespannt - ein so origineller wie lehrreicher Ansatz. Das beginnt schon beim "Letzten Abendmahl" selbst, laut biblischer Überlieferung von Christus am Gründonnerstag eingesetzt, dem Vorabend seines Todes am Kreuz. Jüngere Forschungen belegen, dass die Zutaten dafür keineswegs auf Brot und Wein festgelegt waren. Die Ursprünge des "Herrenmahls" waren viel handfesterer Natur.
Oblaten erst seit dem 9. Jahrhundert
Die Erinnerung an Jesus Christus im gemeinsamen Mahl, die Eucharistie, entwickelte sich aus dem antiken Symposion. Die Christen brachten die Zutaten dafür von zu Hause mit - auch Fisch, Milch, Saft oder Honig. Im Mittelpunkt stand das Element des gemeinsamen, geteilten Mahls; die Stilisierung der Kulthandlung kam erst viel später. Die dürre Oblate anstelle echten Brotes, sicher kein kulinarisches Highlight, kam zum Beispiel erst im 9. Jahrhundert hinzu.
Es war zumeist ein Theologenstreit, was richtig und falsch, Ketzerei oder wahres Herrenmahl sei. Und es ließ sich ja auch trefflich streiten, um Begriffe und knifflige Fälle: Was etwa isst eine Maus, wenn sie zufällig an einer geweihten Hostie knabbert? Ist Christus im Abendmahl wahrhaftig anwesend ("real präsent")?
Der berühmte evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher machte 1834, als es für ihn ans Sterben ging, nicht so viel Federlesens. Da ihm sein Arzt Wein kategorisch verboten hatte, segnete er zwar für Freunde und Familie Brot und Wein; für sein eigenes letztes Abendmahl nahm er aber nur konsekriertes Wasser - im Vertrauen, dass "der Herr Jesus auch das Wasser in dem Wein gesegnet hat".
Was ist der heiligen Handlung würdig?
Theologische Theorie und sehr praktische Fragen sind über die Jahrhunderte immer wieder kollidiert. Was etwa in Regionen, in denen weder Getreide noch Trauben wachsen? Was, wenn bestimmte Regionen und Kulturen sich vom einst kolonialen Westen nicht mehr die Zutaten für ihr Christentum vorschreiben lassen, sondern für ihr gemeinsames Mahl in Christus die Früchte der eigenen Erde darbringen wollen? Sind Maniok, Käse, Kokosmilch und Bananen oder auch eine Coca Cola, die mancherorts eine schwer zu beschaffende Kostbarkeit darstellt, nicht auch der heiligen Handlung würdig?
Hygienefragen, das Alkoholproblem, "bio" und Unverträglichkeiten: Die Verunsicherung ist in unserer plakativen wie diskussionsfreudigen Welt sicher nicht geringer geworden. Und ob das Kommunion-Set aus den USA - ein kleines Aufreißdöschen mit Traubensaft und eine eingeschweißte Oblate - den Gedanken des gemeinsamen Mahls der Christen kulinarisch wie theologisch weiterbringt, sei dahingestellt.
Trotz aller Buntheiten: Dem Autor Schubert ist das Abendmahl durch die intensive Beschäftigung damit viel näher gerückt, wie er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt: "Die Vorstellung, dass man ein Abendmahl ganz anders feiern könnte, als ein Miteinander, mit dem, was jeder Einzelne von zu Hause mitbringt, und mit dem Gastgeber Christus", sei "eine sehr zukunftsträchtige, sympathische Idee - die zudem tatsächlich wieder an die eigenen Anfänge anknüpft".
Zwischen Abgrund und Fortschritt
Ob dafür eine Freigabe oder eine Reglementierung der Bestandteile besser ist, dafür will der Theologe "keine Noten verteilen": "Die einen meinen, das ist der Fortschritt, die anderen, das ist der Abgrund." Er persönlich stehe mancherlei liturgischen Experimenten eher kritisch gegenüber. "Aber ich fände es furchtbar, wenn die Kirche nur eine Richtung hätte."
In Zeiten allgegenwärtiger Kochsendungen, Rezeptportalen und Food-Büchern trifft Schuberts Buch offenbar einen Nerv. Aber viel besser ist: Es unterhält und regt zum Nachdenken an über etwas sehr Vertrautes, das gar nicht so selbstverständlich ist, wie es scheint.