domradio.de: Auf dem Evangelischen Kirchentag vom 24. bis zum 28. Mai in Berlin und Wittenberg soll auch eine Politikerin der AfD auftreten. Sie haben die Bundessprecherin der "Christen in der AfD", Anette Schultner, zu einer Podiumsdiskussion mit dem Berliner Landesbischof Markus Dröge eingeladen. Nun ist die AfD hochumstritten. Zuletzt hatte die Rede von Schultners Parteikollege Höcke für Empörung gesorgt. Wieso halten Sie dennoch an einer Einladung einer AfD-Politikerin fest?
Christina Aus der Au (Evangelische Theologin und Präsidentin des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Berlin und Wittenberg): Wir laden ja nicht jemanden aus der AfD ein, um über die AfD als Partei zu reden. Wir wollen nicht die AfD als solches zum Thema machen. Es gibt eine Gruppierung, die "Christen in der AfD" heißt. Und wir finden, dass man mit jemandem aus diesem Kreis sehr wohl diskutieren kann.
domradio.de: Der Berliner Bischof Dröge hat erst kürzlich gesagt, Christen in der AfD könne es gar nicht geben. Sie hätten da nichts verloren. Wie sehen Sie das?
Aus der Au: Ich wäre inhaltlich geneigt, ihm Recht zu geben. Aber ich finde es extrem wichtig, dass man im Protestantismus solche Dinge miteinander diskutieren kann. Der Protestantismus ist von seinen Wurzeln her eine streitbare Konfession, in der schon Luther und Zwingli metaphorisch gesprochen die Schwerter gekreuzt haben. Ich bin prinzipiell erst einmal dafür, dass man miteinander redet. Zumal wir unter der Losung "Du siehst mich" in Berlin und Wittenberg auch einander in die Augen schauen wollen. Da wollen wir, wo es möglich ist, nicht über die Menschen sprechen, sondern mit den Menschen diskutieren.
domradio.de: Haben Sie bei dem Thema nicht die Befürchtung, dass die AfD den Auftritt statt eines Dialog für Propaganda nutzt?
Aus der Au: Es ist Kirchentag. Die Kirchentagsbesucher und Kirchentagsbesucherinnen, die da zuhören werden, werden es Frau Schultner wahrscheinlich schwer machen, das Podium für Propaganda zu nutzen. Ich glaube, dass die Grundstimmung der AfD gegenüber sehr kritisch sein wird.
domradio.de: In einem Beschluss des Kirchentagspräsidiums haben Sie bestimmt, dass nicht eingeladen werde, wer sich rassistisch äußert. Jetzt haben zumindest Personen der Partei sich in diese Richtung geäußert. Das reicht in dem Fall aber nicht aus?
Aus der Au: Wir nehmen niemanden in Sippenhaft. Wir würden Personen, die so aufgefallen sind, nicht einladen. Wir laden Frau Schultner zum einen ein, weil sie durch solche Äußerungen noch nicht aufgefallen ist. Zum anderen ist sie Sprecherin der Gruppe "Christen in der AfD" und sollte zu diesem Thema etwas zu sagen haben.
domradio.de: Inwieweit hat denn eine Partei wie die AfD ein Recht, auf einem Kirchentag, auf einer solchen Glaubensveranstaltung zu sprechen?
Aus der Au: Keine Partei hat das Recht auf einem Kirchentag zu sprechen. Wir laden ja nicht Parteien ein. Wir laden Menschen ein, die etwas zur Sache zu sagen haben, mit denen man ins Gespräch kommen kann und so diskutieren kann, dass nachher mehr herauskommt, als man vorher erwartet hätte. Das sind Vertreter und Vertreterinnen bestimmter Positionen. Wir sagen in jeden Fall nicht, dass eine Partei das Recht besitze, hier aufzutreten. Ausgeweitet kann man auch sagen, dass keine einzelne Person das Recht hat, hier zu sprechen. Wir schauen uns das alles im Vorfeld an, diskutieren das gemeinsam und entscheiden dann.
domradio.de: Kommen wir auf das Zitat von Bischof Dröge zurück, der sagte Christen hätten in der AfD nicht zu suchen. Inwieweit können Sie sich diesem Zitat anschließen?
Aus der Au: Ich würde die Pauschalität ein bisschen einklammern. Ich finde es auch gut, wenn sich Christinnen und Christen pointiert äußern. Insofern bin ich da ganz bei Bischof Dröge. Ich finde es extrem schwer nachvollziehbar, wie jemand, der sich auf das Evangelium berufen will und auf diesem Boden auch seine Werte hat, was man Christen ja nun zusprechen kann, einem Programm anschließen kann, das Gruppierungen ausschließt, das Grenzen dichtmachen will und das ein Volk und eine Religion höher stellen will. Das finde ich extrem schwierig in Einklang zu bringen.
Das Interview führte Jann-Jakob Loos.