Kirchenvertreter über Islam

"Muslime gehören zu Deutschland"

In die Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland haben sich am Pfingstwochenende auch Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche eingeschaltet. 

Kirche und Moschee / © Harald Oppitz (KNA)
Kirche und Moschee / © Harald Oppitz ( KNA )

In die Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland haben sich am Pfingstwochenende auch Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche eingeschaltet. Vor dem Islam habe er keine Angst, betonte der scheidende Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann am Sonntag im Interview der Woche des Deutschlandfunks. "Muslime gehören zu Deutschland wie Christen" sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der "Bild am Sonntag". Nach Ansicht der evangelischen Theologin Margot Käßmann, die sich in derselben Zeitung äußerte, gehört "nur der Islam zu Deutschland, der mit der Demokratie vereinbar ist, und die Muslime, die gern so hier leben".

Sie sei froh, in einem Land zu wohnen, in dem man seine Religion oder eben auch den Nicht-Glauben frei leben könne. "Aber natürlich muss sich jeder Mensch unter das Grundgesetz stellen." Es tue ihr Leid, "wie viele Muslime, aber auch Juden wieder das Gefühl haben, ausgegrenzt zu werden". Es sei ein Fehler, alle Muslime mit Islamisten gleichzusetzen. Die Deutschen müssten lernen, multireligiös zu leben. "Und das ist nicht naives Multikulti, sondern eine Herausforderung."

Kein Halt an Landesgrenzen

Ähnlich äußerte sich Overbeck. Religiöse Identitäten machten nicht mehr an Landesgrenzen Halt. Hierzulande lebe man stärker als zuvor mit Menschen anderer Religionen oder auch Nichtgläubigen zusammen.

Kardinal Lehmann sagte, ein Grund für seine fehlende Angst vor dem Islam sei, dass er sich schon im Studium und auch darüber hinaus mit dieser Religion beschäftigt habe. "Angst hat man vor etwas, was man nicht kennt." Noch sehe er keinen neuen europäischen Islam, der die Herausforderungen der Demokratie aufnehme. "Aber ich hoffe, dass es so etwas gibt."

Kürzlich hatten in einer Umfrage knapp zwei Drittel der Bundesbürger gesagt, dass ihrer Meinung nach der Islam nicht zu Deutschland gehöre. 34 Prozent der Befragten teilen diese Ansicht nicht, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ergab. Davor hatte die Alternative für Deutschland (AfD) in ihr Parteiprogramm eine Absage an den Islam aufgenommen.

Kritik an Flüchtlingspolitik Osteuropas 

Kardinal Karl Lehmann hat zudem die osteuropäischen EU-Staaten wegen ihrer mangelnden Solidarität in der Flüchtlingspolitik kritisiert. Manche seien nur in "das Nest Europa hineingeschlüpft", weil sie mehr Geld bekommen, als sie hineingegeben haben, sagte Lehmann in der Sendung "SWR1 Rheinland-Pfalz Leute": "Als sie mal helfen sollten, haben sie sich zurückgezogen." Er sehe Europa in einer großen Krise, sagte der scheidende Mainzer Bischof, der am Pfingstmontag 80 Jahre alt wird.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung mahnte zum Pfingstfest eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik an. Jeder Schutzsuchende habe einen Rechtsanspruch auf ein faires Aufnahmeverfahren, sagte Jung am Sonntag im Hessischen Rundfunk. Darüber hinaus müssten aber auch Wege der legalen Einwanderung geschaffen werden.

Leider sei das Gegenteil der Fall. Statt gemeinsam zu handeln, schotteten sich viele europäische Staaten ab und ließen zum Beispiel Griechenland mit der Versorgung der Flüchtlinge allein, sagte Jung. Der 56-jährige Theologe war von 2011 bis 2015 Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Mehr Tempo nötig 

Diakoniepräsident Ulrich Lilie dringt auf mehr Tempo bei der Eingliederung von Flüchtlingen. "Integration ist ein Marathonlauf, der gerade erst beginnt", sagte der Chef des evangelischen Sozialwerks der Nachrichtenagentur epd. Es fehle an Sprach- und Integrationskursen. Es gehe darum, rasch Menschen in Arbeit zu bringen. Lilie kritisierte unnötige Verzögerungen durch "behäbige Verfahren", bei denen ein Amt auf das andere warte. "Diese Denke können wir uns nicht erlauben", sagte er. Nötig sei eine Kultur der Kooperation und Integration.

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, warnt vor einer ausschließlich negativen Sicht auf die Flüchtlingsproblematik: "Dass viele Menschen in unser Land kommen, die anders aussehen, anders sprechen und einen anderen kulturellen und religiösen Hintergrund haben, ist eine Herausforderung, die auch viele Chancen bietet", sagte der Chef des katholischen Wohlfahrtsverbandes dem Portal "www.100tage100menschen.de" des 100. Deutschen Katholikentags, der vom 25. bis 29. Mai in Leipzig stattfindet.

Keine Obergrenzen 

Der katholische Militärbischof Overbeck lehnt Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen ab. "Es ist meiner Meinung nach nicht mit dem Christentum vereinbar, Menschen in Not abzuweisen", sagte Overbeck der "Bild am Sonntag". Als Kirche müsse man gegen Fremdenfeindlichkeit eintreten. Overbeck: "Wir müssen dem Bedürfnis nach Vereinfachung, das im Rechtspopulismus steckt, die einfachen Botschaften des Christentums entgegensetzen."

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sagte der "Bild am Sonntag", die Schließung der Balkanroute habe mit christlicher Nächstenliebe nichts zu tun. Die Reformationsbotschafterin der EKD fügte hinzu: "Viele schwärmen von der Gastfreundschaft, die sie in ihrem Urlaub in der Türkei und in Marokko erlebt haben. Aber wenn dann Menschen zu uns kommen, haben sie plötzlich Angst. Da hilft nur die direkte Begegnung, und dabei können die Kirchen sehr hilfreich sein."

 


Kardinal Lehmann im Gespräch (Bistum Mainz)

Bischof Overbeck / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Overbeck / © Harald Oppitz ( KNA )

Caritas-Präsident Peter Neher (KNA)
Caritas-Präsident Peter Neher / ( KNA )

Margot Käßmann (KNA)
Margot Käßmann / ( KNA )
Quelle:
KNA , epd