DOMRADIO.DE: Bei seiner Begrüßung im Schloss Bellevue hat König Charles III. am Mittwoch erstaunlich gut Deutsch gesprochen. War das heute ähnlich?
Prälat Karl Jüsten (Leiter des katholischen Büros in Berlin): Er hat sehr gut Deutsch gesprochen und die Rede überwiegend auf Deutsch gehalten, zwischendurch gab es aber auch Passagen auf Englisch. Die Rede ging sehr zu Herzen, und ich war schon angerührt, dass der Monarch unseres befreundeten Landes Großbritannien uns so ins Herz spricht. Das war sehr schön.
DOMRADIO.DE: Das war vom Setting auch was ganz Besonderes. König Charles im Bundestag, was war da für eine Atmosphäre?
Jüsten: Es fiel auf, dass der Bundestag fast bis auf den Platz besetzt war, das heißt auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sehr bewegt daran teilgenommen. Das Kabinett war da, die Bundesratsbank war voll. Da merkt man schon die besondere Wertschätzung für den König von England.
DOMRADIO.DE: Thema war ja unter anderem auch die Verbindung zwischen Deutschland und England nach dem Zweiten Weltkrieg. Sicherlich hat König Charles diese Verbindung noch mal zur Sprache gebracht. Was hat er denn dabei betont?
Jüsten: Er hat das sehr geschickt gemacht. Er hat sicher an die Gräueltaten des Nationalsozialismus erinnert, aber auch daran, dass nach dem Krieg eine Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern errichtet wurde. Das waren sozusagen die politischen Themen.
Dann ist er aber auf die Kultur zu sprechen gekommen. Er hat an Händel erinnert, an seine Vorfahren, die ja Deutsche sind, an die Beatles, also auch die Popmusik. Im Grunde genommen hat er all das, was unsere beiden Länder im Inneren verbindet, zur Sprache gebracht.
Dann kam er auch auf sein Leib-und-Magen-Thema zu sprechen: Nachhaltigkeit und Klimawandel. Er hat aber auch über die enge Zusammenarbeit der Wirtschaft und der Forschung gesprochen. Also im Grunde hat er kein Thema ausgelassen.
DOMRADIO.DE: Heute ist König Charles in einem Ökodorf in Brandenburg zu Besuch. Hat er auch die Politiker ins Gericht genommen in Sachen Umweltschutz, Natur und Klimawandel?
Jüsten: Er hat eigentlich keinen ins Gericht genommen. Das ist nicht seine Art und vielleicht auch nicht die eines Monarchen. Aber durch die Art und Weise, wie er die Themen aufgemacht hat, hat sich jeder angesprochen gefühlt und wusste genau, was ins Pflichtenheft der Briten und der Deutschen hineingeschrieben ist.
DOMRADIO.DE: War auch der Ukraine-Krieg mit dabei?
Jüsten: Auch an den Ukraine-Krieg hat er erinnert. Und dass Deutschland und Großbritannien große Geber sind, um den Ukrainern zu helfen. Er hat auch die militärische Kooperation von Deutschland und Großbritannien angesprochen, dass es hier in Deutschland ein gemeinsames Bataillon gibt, was es sonst wohl auf der Welt nicht noch ein zweites Mal gibt. Also wie gesagt, er hat keine Themen ausgelassen.
DOMRADIO.DE: Neben den ernsteren, politischen Themen gab es aber auch ein paar humorvolle Momente. Welche sind Ihnen da in Erinnerung geblieben?
Jüsten: Er hat tatsächlich den Deutschen Bundestag zum Lachen gebracht. Das war wirklich ganz nett. Einmal, als er an die Popmusik erinnerte. Und vor allen Dingen auch als er an das Frauen-Fußballeuropameisterschaftsspielt Deutschland gegen England erinnert hat, wo die Engländerinnen gewonnen hatten.
Er war sehr humorvoll und hat uns wieder mal zum Schmunzeln gebracht, manchmal war es auch anrührend. Also ich fand ihn sehr sympathisch. Und auch Dinner for One hat er zitiert, das war ganz groß. Vor allem weil es in Deutschland viel populärer ist als in England.
DOMRADIO.DE: Es gab im Vorfeld aber auch ein bisschen Kritik aus den Reihen der Linken. Da wurde kritisiert, dass er als Monarch in einem demokratischen Parlament eigentlich nichts zu suchen habe. Wie würden Sie das einschätzen?
Jüsten: Zunächst mal ist er der Repräsentant eines der mit uns am besten befreundeten Länder der Welt. Da haben wir uns eigentlich nicht einzumischen, wie andere Länder ihre Verfassungen organisieren. Großbritannien ist eine der ältesten Demokratien der Welt, und König Charles steht für dieses demokratische Großbritannien. Also warum man ihn nicht hätte einladen sollen, erschließt sich mir nicht.
DOMRADIO.DE: Immerhin gab es auch Standing Ovations von fast allen Abgeordneten. Der König von England ist ja auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Welche Bedeutung hat das Ganze für einen ökumenischen Dialog?
Jüsten: Daran habe ich heute Morgen im Gottesdienst mit den Abgeordneten gedacht. Ich habe da für die Einheit der Christenheit gebetet, für die Anglikaner und die Katholiken und Protestanten. Das, was uns von den Anglikanern trennt, ist ja nicht so weit auseinander. Deshalb sind wir eigentlich mit den Anglikanern im gutem Kontakt.
Das Interview führt Elena Hong.