Kirchliche Gesellschaft beklagt Störfeuer beim Wohnungsbau

Verlässliche Planung erforderlich

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Doch Wohnungen werden einige gebaut, auch zu bezahlbaren Mietpreisen. Die kirchliche Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft spricht über Herausforderungen für den Bau und ihre Projekte.

Neue Mitte Porz (Aachener-SWG)

DOMRADIO.DE: Woran liegt es, dass bezahlbarer Wohnraum in Ballungsräumen immer knapper wird?

Frank Schmeink (Aachener-SWG)

Frank Schmeink (Leiter der Abteilung Neubau der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH, ASW): Das Phänomen der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen gibt es seit den 2000ern. Die Corona-Krise war sicher nicht förderlich, aber es gab einen Ausblick und wir haben es überstanden. In den letzten zwei Jahren hat sich das Problem noch einmal verschärft. 

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine war ein Schock für die Wirtschaft, der zum einen über die Energiepreise zu Preissteigerungen geführt hat, die auch bei den Baukosten angekommen sind. Wir reden von dreißig bis vierzig Prozent Teuerung zum Ausgangsniveau. Darauf hat die Zentralbank mit Erhöhungen der Leitzinsen reagiert.

Dann sind innerhalb von einem halben Jahr die Bauzinsen, also die Kreditzinsen von unter einem auf bis zeitweise über vier Prozent gestiegen. Diese beiden Variablen zusammen – sehr stark steigende Zinsen und Baukosten in kurzer Zeit – haben viele Investitionen nicht mehr wirtschaftlich tragbar gemacht und zu dieser extremen Verschärfung geführt.

DOMRADIO.DE: Inwiefern sind Sie als Wohnungsgesellschaft von diesen Effekten betroffen? Was sind für Sie im Augenblick die größten Herausforderungen?

Schmeink: Zu den beiden genannten Effekten beschäftigt uns als dritte Herausforderung das Ziel der CO2-Neutralität. Da haben wir zum einen von der EU vorgegebene CO2-Neutralitätspfade und teilweise eigene Ziele auf kommunaler Ebene. Zum Beispiel möchte Köln bis 2035 CO2-neutral werden. Das heißt, in 10 bis 20 Jahren sollen unsere Immobilienbestände rechnerisch CO2-neutral werden.

Das heißt nicht gar kein CO2 mehr auszustoßen, aber deutlich weniger. Das ist ein Ziel, dass zur Erreichung sehr kapitalintensiv ist und der Bausektor ist insgesamt ein bisschen später dran. Das betrifft nicht nur die Aachener, sondern alle Wohnungsbestandshalter.

Frank Schmeink

"Wenn das Geld hauptsächlich in die Sanierung und Modernisierung fließt, fehlt es im Neubau und entsprechend auch im Bau geförderter Wohnungen."

Einige große Bestandshalter haben im letzten Jahr angekündigt, ihre Neubauprogramme stark bis komplett zurückzufahren, um sich auf die Modernisierung und Sanierung ihrer Bestände zu konzentrieren. Das Problem ist, dass diese Unternehmen wichtig für den geförderten Wohnungsbau sind. Das heißt, wenn das Geld hauptsächlich in die Sanierung und Modernisierung fließt, fehlt es im Neubau und entsprechend auch im Bau geförderter Wohnungen.

Neue Mitte Porz (Aachener-SWG)

DOMRADIO.DE: Schauen wir auf ein konkretes Projekt der Aachener in Köln-Porz. Sie bauen in zentraler Lage neuen Wohnraum.

Schmeink: Die "Neue Mitte Porz", ein Projekt mit einem gewissen Vorlauf. Die ersten Ideen dazu sind aus 2016. Mitten in der Porzer Fußgängerzone entsteht auf dem Grundstück des ehemaligen Hertie-Kaufhauses ein Wohn- und Geschäftshaus in einer sehr beengten Lage. Das gesamte Projekt wird von der "moderne stadt GmbH", einer Stadtentwicklungstochter der Stadt Köln entwickelt.

Forum St. Josef im Haus 3 der Neuen Mitte Porz (Aachener-SWG)
Forum St. Josef im Haus 3 der Neuen Mitte Porz / ( Aachener-SWG )

Wir als Aachener sind mit dem Haus 3, an der gemeinsamen Projektentwicklung beteiligt. Die örtliche Kirchengemeinde St. Josef ist an uns herangetreten, um den Bau, den wir "Haus der Kirche" getauft haben, gemeinsam zu entwickeln. Dafür haben wir einen Architektenwettbewerb gestartet, um allen Wünschen bestmöglich gerecht zu werden.

Die Kirchengemeinde St. Josef erhält im Erdgeschoss ihr neues Pfarrzentrum "mittendrin" mit Pfarrsaal, Gruppenräumen und Büroflächen. Dazu kommen im Erdgeschoss noch Einzelhandelsflächen, die wir bereits an einen Augenoptiker, einen Telekommunikationsdienstleister und auch eine Gastronomie vermieten konnten. In den Obergeschossen sind 30 qualitativ sehr hochwertige Mietwohnungen entstanden, die ebenfalls in relativ kurzer Zeit vermietet wurden.

DOMRADIO.DE: Einige ähnliche Wohnprojekte aus der Vergangenheit haben sich zu sozialen Brennpunkten entwickelt, zum Beispiel Köln-Chorweiler. Wie verhindern Sie das bei ihrem Projekt in Porz?

Schmeink: Dieser Ansatz von vor 30, 40, 50 Jahren wird auch heute noch in der Lehre so vertreten. Das kann ich bestätigen. Ich glaube, die Themen, die dort falsch gelaufen sind, sind andere.  Dass Chorweiler ein sozialer Brennpunkte wurde, hängt eher mit der räumlichen Distanz zur Innenstadt zusammen und vielleicht auch mit der Massivität der Bebauung. Die wurde von den Bewohnern nicht so angenommen.

Optikergeschäft im Haus 3 der Neuen Mitte Porz (Aachener-SWG)
Optikergeschäft im Haus 3 der Neuen Mitte Porz / ( Aachener-SWG )

"Neue Mitte Porz" liegt, wie der Name sagt, mitten in Porz: Von der Körnigkeit (Anm. d. Red.: die relative Größe der neuen Gebäude zu den Gebäuden im näheren Umfeld), von der Geschossigkeit passen sich die Gebäude der Struktur der Umgebung an. Wir haben rundherum eine homogene Wohnstruktur, die bereits gut bewirtschaftet wird.

Daher fügt sich das Projekt mit seinem Konzept für alle drei Häuser gut ein. Die Entwicklungsgesellschaft "moderne stadt" hat ein Gebäude mit einem Supermarkt und über 50 Mietwohnungen gebaut. Im dritten Bau sind geförderte Wohnungen vornehmlich für Seniorinnen und Senioren entstanden. Ich finde an der Stelle ist eine gute Mischung entstanden, die eine Strahlkraft hat und sich in das Umfeld ausdehnen wird.

DOMRADIO.DE: Was bringt denn die Mischung im Vergleich zu einer reinen Wohnbebauung?

Frank Schmeink

"Wir wollen keine reinen Wohnquartiere bauen. Unser Ansatz ist es auch Nebennutzung mitzudenken."

Schmeink: Wir wollen keine reinen Wohnquartiere bauen. Unser Ansatz ist es auch Nebennutzung mitzudenken. Also kein reines Wohnen, sondern gemischtes Wohnen. So kann man Leben in diese Quartiere bringen, indem man Handelsnutzung oder sogar Arbeitsplätze mit anbieten kann. Das ist immer besser.

Zum Beispiel haben wir bei einem Projekt in Bilderstöckchen auf dem Grundstücksareal der ehemaligem Filialkirche St. Monika neben einem sehr schönen Wohnquartier auch eine fünfgruppige Kindertagesstätte und eine Seniorentagespflege entwickelt.

DOMRADIO.DE: In den Innenstädte stehen Büroflächen leer. Spätestens seit Corona arbeiten viele Menschen im Homeoffice. Kann aus diesen Flächen Wohnraum werden?

Schmeink: Die größte Schwierigkeit dabei sind die heterogenen Eigentümer- und Nutzungsstrukturen. Sicherlich ist eine Umnutzung ein Ansatz, um Potenziale zu heben, aber große Mengen an Wohnraum lässt sich so nicht schaffen, weil für jeden Umbau eine individuelle Planung nötig ist.

Diese leergefallenen Büroobjekte sind häufig sehr sanierungsbedürftig. Dazu kommen die Themen Schallschutz und Brandschutz, die in solchen Gebäuden oft sehr schwierig sind, weil bei der Errichtung als Bürogebäude andere Anforderungen erfüllt werden mussten als für die Nutzung als Wohngebäude.

Leerstehendes Büro / © Patrick Pleul (dpa)
Leerstehendes Büro / © Patrick Pleul ( dpa )

Wir als Aachener haben einen solchen Umbau einmal konkret für ein Projekt geprüft, da passten die Deckenhöhen nicht zum Schallschutz. Eine Lösung ist dann nur noch Abriss und Neubau. Aber auch dann entstehen nicht unbedingt großen Mengen an Wohnraum. Häufig kommen hohe Preisvorstellungen für das Grundstück hinzu, weil die Lage zu zentral liegt, sodass ein Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten oder gefördertem Wohnraum wieder nicht mit Gewerbemieten konkurrieren kann.

Grundsätzlich ist das Thema aber sicherlich eines, das zukünftig mehr Bedeutung gewinnt. Insbesondere wenn wir auf das Thema CO2 schauen, weil Wert- und Baustoffe, die in Gewerbeflächen verbaut sind und nur wieder genutzt werden wollen, CO2 neutraler sind als ein Neubau.

DOMRADIO.DE: Was kann die Politik tun, um für mehr Wohnungen zu sorgen?

Frank Schmeink

"Aus Sicht der Aachener ist das Thema grundsätzlich fehlendes Kapital, um die Investitionen zu befördern. Das wäre ein Katalysator für den Neubau oder um Projekte kurzfristig wieder anzukurbeln."

Schmeink: Zunächst möchte ich gerne erwähne, dass in NRW seit Jahren für verlässliche und gute Förderbedingungen im öffentlichen geförderten Wohnungsbau gesorgt wird. Unsere verantwortliche Landesbauministerin Ina Scharrenbach leistet hier sehr gute Arbeit.

Aus Sicht der Aachener ist das Thema grundsätzlich fehlendes Kapital, um die Investitionen zu befördern. Das wäre ein Katalysator für den Neubau oder um Projekte kurzfristig wieder anzukurbeln.

Ein Experte hat eine zeitlich befristete Mehrwertsteuerbefreiung für geförderten Wohnungsbau und Projekte mit Verpflichtungen für bezahlbare Mieten vorgeschlagen, um einen Anreiz für den Bau neuer Wohnungen zu schaffen. So könnten Projekte, die sich nicht mehr rechnen kurzfristig wieder gangbar gemacht werden. Es wäre also ein Ansporn, der wirtschaftlich sofort durchschlägt. Außerdem hätte es auch einen positiven Effekt auf den Bereich der energetischen Sanierungen.

Im Wohnungsbau sind politisch zu viele Störfeuer drin, um verlässlich zu planen. Wir können nicht fest mit Geldern aus dem Fördertopf rechnen, die erst in zwei Jahren ausgeschüttet werden. Das wäre bei den hohen Baukosten und den hohen Zinsen aber erforderlich, um bezahlbare Mieten zu erbringen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH

Seit 1949 baut die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH Wohnungen für Menschen.

Nach dem Krieg wurde die Aachener unter maßgeblicher Beteiligung der Erzbistümer Köln und Paderborn sowie der Bistümer Aachen und Münster in Aachen gegründet. 1950 wurde der Sitz nach Köln verlegt. In den Nachkriegsjahren war es die Aufgabe der Gesellschaft, sich am Wiederaufbau zu beteiligen und dabei das Wohneigentum zu fördern. Von Anfang an lag ein Schwerpunkt der Arbeit darin, breite Bevölkerungsschichten mit erschwinglichen Wohnungen und Wohnungseigentum zu versorgen.

Begrünte Fassade der Aachener SWG / © Benjamin Marx (Aachener-SWG)
Begrünte Fassade der Aachener SWG / © Benjamin Marx ( Aachener-SWG )
Quelle:
DR