Kirchliches Aktionsbündnis will die Olympischen Spiele in Rio nachhaltig gestalten

Ein positives Erbe hinterlassen

Anders als die Fußball-WM 2014 in Brasilien sollen die Olympischen Spiele 2016 für die Menschen einen stärkeren Nutzen haben. Dazu ein domradio.de-Interview mit Michael Vesper vom Deutschen Olympischen Sportbund.

Favela Santa Marta (KNA)
Favela Santa Marta / ( KNA )

domradio.de: Profitieren die Menschen in Brasilien abseits der Sportstätten auch von den Olympischen Spielen?

Dr. Michael Vesper (DOSB-Vorstandsvorsitzender): Davon gehe ich aus, weil die Infrastruktur in dieser riesengroßen Stadt Rio de Janeiro erneuert wird. Es wird neue Verkehrsverbindungen geben, es wird neue Wohnungen, neue Häuser, neue Sportstätten geben. Das Internationale Olympische Komitee veranstaltet ja jetzt zum ersten Mal in Südamerika überhaupt Olympische Sommerspiele, gemeinsam mit der Ausrichterstadt Rio de Janeiro. Es ist ein gemeinsames Interesse von beiden, ein Erbe zu hinterlassen, das für die Menschen in der Stadt selber auch etwas bringt.

domradio.de: Es gibt eine Zahl, die kursiert: 8,4 Milliarden Euro sollen die Spiele angeblich kosten. Da sagt doch bestimmt der ein oder andere wieder, wenn das viele Geld gegen die Armut investiert würde, dann sähe es im Land ganz anders aus. Kann man so überhaupt argumentieren?

Vesper: Man muss differenzieren bei solchen Zahlen. Man muss erst einmal sehen, was kosten die Spiele, also die Organisation dieser Spiele. Das sind in der Regel so um die drei Milliarden Euro. Ich weiß jetzt nicht so die genaue Zahl von Rio, aber drei, dreieinhalb Millionen werden es sein. Dieses Geld wird vollständig finanziert durch Zuschüsse des IOC, durch die Möglichkeit eines nationalen Sponsorings, durch Merchandising, durch Eintrittsgelder. Das belastet also nicht den brasilianischen Haushalt oder den der Stadt Rio. Darüber hinaus müssen natürlich Investitionen getätigt werden.

Ich sagte es ja eben schon, es wird zum Beispiel eine neue Metrolinie geschaffen und es wird die Infrastruktur ausgebaut. Das ist in aller Regel natürlich ein Projekt, das durch die Olympischen Spiele ausgelöst wird, das aber nicht nach 17 Tagen abzuschreiben wäre, sondern das ein Nutzen über Jahre und Jahrzehnte für die Stadt bringen soll. Insofern muss man da schon differenzieren, dass ein Großteil dieses Geldes, das sie gerade genannt haben und das von der öffentlichen Hand zu finanzieren ist, am Ende den Bürgerinnen und Bürgern von Rio de Janeiro nutzt.

domradio.de: Die letzte Fußball-WM war ja ebenfalls ein riesiges Sportereignis dort im Land. Haben die Brasilianer auch davon profitiert?

Vesper: Sie können eine Fußballweltmeisterschaft nicht mit den Olympischen Spielen vergleichen. Bei der Fußballweltmeisterschaft geht es um eine Sportart, die an unterschiedlichen Veranstaltungsorten stattgefunden hat, wo Stadien offensichtlich gebaut wurden, die kein Mensch braucht. Bei den Olympischen Spielen finden innerhalb von 17 Tagen über 40 Weltmeisterschaften in den einzelnen Sportarten vor Ort in dieser einen Stadt statt. Da ist eine sehr viel größere Herausforderung.

Zehn Tage danach finden ja auch noch die Paralympics statt, also die Spiele der Menschen mit Behinderung. Die dauern auch noch mal 12 Tage und haben in Ländern wir China oder Russland, wo sie ja zuletzt waren, ein ganz neues Verständnis des Umgangs mit Menschen mit Behinderung ausgelöst. Sie sehen, dass diese Spiele sehr viel mehr Wirkung erzielen und auch die Chance haben, wirklich etwas an Verbesserung für das Zusammenleben der Menschen in dieser Stadt zu bringen.

domradio.de: Der deutsche Olympische Sportbund möchte sich jetzt für mehr Nachhaltigkeit stark machen, dort und auch bei anderen Spielen. Was genau ist geplant?

Vesper: Mit unseren Partnern haben wir heute die Aktion "Rio bewegt uns" auf den Weg gebracht. Eine Aktion, die eben die gesellschaftliche Verantwortung und Bedeutung des Sports in den Vordergrund stellt. Wir haben uns mit den Partnern, wie Adveniat oder Misereor, auf fünf Werte verständigt, nämlich Nachhaltigkeit, Leistung, Hoffnung, Fairness, was ja ein anderes Wort für Gerechtigkeit ist, und Frieden.

Diese Werte wollen wir mit Aktivitäten hier in Deutschland, aber auch dann in Rio verfolgen, und wir werden unsere Sportlerinnen und Sportler auch darüber informieren, die natürlich zuallererst die sportlichen Wettkämpfe erst einmal vor Augen haben, aber danach sicherlich offen sind, dafür mit solchen Projekten einen Beitrag zur Entwicklung zu leisten. Es gibt kein anderes Instrument, das so sehr Menschen zusammenbringt, wie der Sport. Menschen auch Selbstbewusstsein geben und ihnen die gesellschaftliche Dimension ihres Handelns verdeutlichen kann.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR