Klage gegen Wittenberger "Judensau" voraussichtlich erfolglos

 (DR)

Das historische "Judensau"-Relief an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche erfüllt nach Einschätzung des Oberlandesgerichts Naumburg wohl nicht den Straftatbestand der Beleidigung. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am Dienstag erklärte der Vorsitzende Richter, Volker Buchloh: "Die Berufung hat nach derzeitigen Stand keinen Erfolg."

Das Gericht verwies darauf, dass die Stadtkirchengemeinde die Schmähplastik 1988 um ein Mahnmal und einen Aufsteller mit Informationstext ergänzt habe. In dem Prozess müsse das Gesamtensemble berücksichtigt werden. "Wir meinen, dadurch ist es in objektiver Sicht keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne mehr", erklärte Buchloh.

Das Gericht folgte damit der Argumentation des Landesgerichts Dessau, das im Mai 2019 die Klage abgewiesen hatte. Im Berufungsprozess brachten der Kläger, ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und die beklagte Stadtkirchengemeinde Wittenberg erneut ihre Positionen vor. Das Oberlandesgericht will sein Urteil am 5. Februar verkünden und voraussichtlich eine Revision zulassen. Dann würde es ein Fall für den Bundesgerichtshof.

Auf dem Relief in etwa vier Metern Höhe an der Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546) ist ein Rabbiner zu sehen, der den Ringelschwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut.

Zwei weitere Juden saugen an den Zitzen des Tiers. Das Schwein gilt den Juden als unrein. Hinzu kommt die 1570 eingelassene Inschrift "Rabini-Schem HaMphoras". Diese ist vermutlich inspiriert von Luthers antijüdischer Schrift "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi" von 1543. Schem Ha Mphoras steht für den im Judentum unaussprechlichen heiligen Namen Gottes. (KNA, 21.11.20)