Der Friedhof mit den orientalischen Steingräbern liegt am Südhang des Zionsbergs vor den Toren der Jerusalemer Altstadt. Zwei Wärter arbeiten in der glühenden Sonne. "Oskar Schindler?" fragt der eine, als drei Besucher sich nähern, und zeigt auf den unteren Teil der Anlage: Für Ausländer ist das Grab des berühmten Judenretters die einzige Attraktion hier. Nach jüdischem Brauch haben viele zum Gedenken kleine Steinchen auf die Grabplatte gelegt. Daneben stehen ein paar offensichtlich neue Plastikkästen mit Grünpflanzen, die mühsam gegen die Hitze ankämpfen.
Der mittellos gewordene Lebemann Schindler hatte einen Teil seiner letzten Lebensjahre in Jerusalem bei Holocaust-Überlebenden verbracht, die seinem beherzten Einsatz im nazibesetzten Polen ihre Rettung verdankten. Auf eigenen Wunsch wurde er nach seinem Tod 1974 auf dem katholischen Friedhof am Zionsberg begraben. Seit Spielberg dem Sudetendeutschen 1993 mit "Schindlers Liste" ein filmisches Denkmal setzte, ist seine Grabstätte zur Besucherattraktion geworden. "Der unvergessliche Lebensretter 1.200 verfolgter Juden" steht auf der hellen Steinplatte, die über dem Namenszug nur ein eingraviertes Kreuz ziert. Kaum etwas unterscheidet sie von den mal mehr, mal weniger gepflegten Familiengräbern rundherum.
Dennoch - oder deswegen? - kam es jüngst in israelischen Medien zu Unruhe um die letzte Ruhestätte Schindlers: Denn Schoah-Überlebende hatten sich nach einem Besuch beschwert, das Grab befinde sich in einem miserablen Zustand. Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem schickte daraufhin einen Brief an den Lateinischen Patriarchen von Jerusalem als dem Ortsbischof der einheimischen Katholiken des westlichen Ritus. Darin machte sie auf die "besondere Bedeutung Oskar Schindlers für das jüdische Volk und den Staat Israel" aufmerksam und forderte, seine Grabstätte in einer "ehrenhaften Weise" zu erhalten.
"Frage des Geschmacks und der Mentalität"
Das Patriarchat schweigt sich zu dem Thema aus. Tatsächlich sitzen die eigentlich Zuständigen für den Friedhof auch einige Häuser weiter, in der Franziskanerkustodie des Heiligen Landes. Pater Ibrahim Faltas, Pfarrer der katholischen Altstadtgemeinde Jerusalems und damit auch des Friedhofs, schüttelt verständnislos den Kopf. Die Beschwerden entbehrten jeder Grundlage; das Grab sei absolut in Ordnung. Zudem seien für die Erhaltung der einzelnen Gräber die Familien verantwortlich.
Sein Mitbruder Dobromir Jasztal, als Ökonom verantwortlich für die Erhaltung des Geländes, reagiert gelassen. Zwar hätte er von den Beschwerden lieber nicht erst aus der Presse erfahren; doch sobald er davon Wind bekam, habe er sich persönlich an Ort und Stelle begeben, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Mit der Idylle eines westeuropäischen Gottesackers sei ein orientalischer Friedhof wohl generell nicht zu vergleichen, so der Pole - aber von "heruntergekommen" könne auch nicht die Rede sein.
Dennoch habe er, um "der Empfindlichkeit dieses besonderen Falles Rechnung zu tragen", die Friedhofswärter angewiesen, dem Schindlerschen Grab "bei der regulären Pflege der Anlage besondere Aufmerksamkeit zu schenken". Daher also die neuen Pflanzenkästen. In Jad Vaschem, das bislang keinen direkten Draht zur Friedhofsverwaltung hatte, will man die Geschichte auch nicht zu hoch spielen: Ein paar Besucher hätten sich beschwert - andere hätten das Grab für "völlig in Ordnung" befunden, so Sprecherin Estee Yaari auf Anfrage. Offenbar handele es sich dabei auch um eine "Frage des Geschmacks und der Mentalität".