"Wir wollen die Würde des Menschen, die Familie mit Kindern, unsere abendländische christliche Kultur, unsere Sprache und Tradition in einem friedlichen, demokratischen und souveränen Nationalstaat des deutschen Volkes dauerhaft erhalten“, heißt es bereits in der Präambel des AfD-Parteiprogramms. Ohne Zweifel legt die AfD Wert auf eine Nähe zum Christentum und seinen Werten.
In ihrem Parteiprogramm wettern die AfD-Politiker gegen eine "Gleichmacherei der Geschlechter" und eine angebliche "Sexualisierung der Gesellschaft". Die traditionelle Familie soll gestärkt werden, Abtreibung und "Homoehe“ wird dagegen eine klare Absage erteilt. Positionen also, die gar nicht so fern von denen der Kirchen sind. "Bei uns (in der Partei) werden die christlichen Werte gelebt, vertreten und sind auch programmatisch verankert", betont die AfD-Politikerin Beatrix von Storch im domradio.de-Interview. Kaum verwunderlich, dass sich in der AfD eine Bundesvereinigung der "Christen in der AfD “(Chrafd) gebildet hat.
Klare Abgrenzung seitens der Kirchen
Andere Positionen der Partei sind allerdings schwer mit den christlichen Grundwerten zu vereinbaren. Flüchtlinge sind ein großes Feindbild und werden pauschal verunglimpft, der Islam wird - entgegen den Verlautbarungen des Zweiten Vatikanischen Konzils - nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft akzeptiert, eine Differenzierung zum radikalen Islamusmus findet nicht statt und die europäische Idee wird massiv hinterfragt. Der sich abgrenzende Nationalstaat steht im Mittelpunkt. Klimaschutz gibt es quasi nicht, da der Klimawandel nicht ernst genommen wird. Das sind alles AfD-Positionen, die mit dem Weltbild der christlichen Kirchen uvereinbar sind.
So verwundert es kaum, dass die Kirchen einen Trennungsstrich zur AfD ziehen – wie es der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Bergisch Gladbach tat: „Es geht nicht darum, eine Partei zu benennen und dann alle Mitglieder dieser Partei, gleichermaßen zu verurteilen. Das geht ja gar nicht und das darf ich als Bischof auch gar nicht tun. Ich muss auf Inhalte schauen. Wo etwa Ausländerfeindlichkeit propagandiert wird, oder wenn pauschal eine ganze Weltreligion verurteilt wird, dann gehört da ein Christ nicht dazu. Die eigene Nation über die anderen zu stellen, all das sind ja Dinge, die nicht in unser christlich universalistische Sicht hinein gehören.“
Nicht nur der Münchner Erzbischof sieht das so. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki stört sich besonders an der Ablehnung des Islam durch die AfD: „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Eine ganze Weltreligion wird da an den Pranger gestellt“, betonte Kardinal Woelki gegenüber domradio.de. Auch von evangelischer Seite gab und gibt es massive Kritik an der AfD und ihren Ideen.
Margot Käßmann, die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wird da noch deutlicher: „Ich kann nicht verstehen, dass jemand, der sich Christ nennt, AfD wählt, wenn eine Partei andere derart ausgrenzt aufgrund ihrer Herkunft. Die Krise der Flüchtlinge, der Rassismus der aufkommt, der Nationalismus. Das sind Themen, zu denen die Kirche was zu sagen hat, denn wir kennen keine nationalen Grenzen für unsere Kirchen. Sondern Christinnen und Christen leben in allen Nationen."
Wie umgehen mit der AfD? – Katholische Seite
Wie aber gehen die Laienbewegungen der beiden großen Kirchen mit der AfD um? Die Position des "Zentralkommitees der deutschen Katholiken" (ZdK) ist da unzweideutig. Wie schon die katholischen Bischöfe und eine Großzahl der katholischen Verbände distanziert sich auch das ZdK mit klaren Worten von der AfD. Zum Katholikentag 2016 in Leipzig wurde kein AfD-Funktionär auf ein Podium eingeladen. Eine Entscheidung, die dem ZdK damals sowohl Lob wie auch Kritik einbrachte.
So kritisiert etwa der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU in Dresden die Nichteinladung der AfD und die Anti-AfD-Haltung der Kirchen insgesamt. Er verweist auf das biblische Gleichnis vom guten Hirten und den verlorenen Schafen. „Es wäre schon eine Aufgabe von Kirchen, genau den verlorenen Schafen nachzulaufen und sie wieder einzufangen statt zu sagen, die sind sowieso weg, denen geben wir noch einen Tritt hinterher. Hier scheinen mir die Kirchen nicht immer die richtigen Reaktionsmuster an den Tag gelegt zu haben“, analysiert der Politikwissenschaftler im Interview mit domradio.de das Verhalten der katholischen Laienvertretung ZDK.
Aber Dialog mit der AfD statt Ausgrenzung? Das ist eine Haltung, die die Journalistin und Religionsexpertin Christiane Florin nicht verstehen kann. Sie leitet die Redaktion "Religion und Gesellschaft" beim Deutschlandfunk in Köln und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema. Florin findet nicht, dass die Kirchen "diesen seelsorgerischen Kurs fahren" sollten und sagen: 'Oh die Armen, die Abgehängten, da müssen wir doch Verständnis haben'. Florin: " Nein, es gibt Grenzen, die vollkommen berechtigt sind. Und wer die nicht akzeptiert, mit denen muss man nicht reden“, sagt die DLF-Redakteurin gegenüber domradio.de. Dialog von offizieller Seite hält sie nicht für angebracht. Und trotzdem, zum Katholikentag hätte man die AfD aus taktischen Gründen besser eingeladen, findet die Journalistin: „Von dem Ausschluss vom Katholikentag hat die AfD meiner Meinung nach profitiert. Sie konnte nämlich in ihre typische Opferhaltung zurückfallen, also zu sagen, keiner will mit uns sprechen, wir werden schon ausgeschlossen, bevor wir überhaupt auf einem Podium sind.“
Wie umgehen mit der AfD? – Evangelische Seite
Eine andere Linie als die Katholiken fuhr die Evangelische Kirche in Deutschland. Zwar distanzierte sich auch die EKD offiziell von den Rechtspopulisten. Doch beim Evangelischen Kirchentag 2017 durfte die AfD immerhin Präsenz zeigen. Anette Schultner, Vorsitzende der 'Bundesvereinigung Christen in der AfD' schaffte es auf ein gemeinsames Podium mit dem Berliner Landesbischof Markus Dröge.
Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au rechtfertigt das damit, "dass wir immer in den Dialog eintreten. Kirchentag ist ja die Auseinandersetzung Christen mit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen und da glaube ich, dass wir am Dialog nicht vorbei kommen", sagt die Kirchentagspräsidentin im Gespräch mit domradio.de. Beifall erhält sie von der DLF-Kirchenexpertin Florin: "Der Evangelische Kirchentag ist damit besser umgegangen. Ich halte es für besser, den Stier bei den Hörnern zu packen und zu sagen: 'So, das ist jetzt die Frage und das machen wir jetzt zum Thema'.“ Vorrang hat hier, die AFD nicht in ihrer Opferrolle zu bestärken. Ofiziell aber Distanz zu wahren, solange die AFD bestimmte anerkannte gesellschaftliche Regeln wie den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Deutschland nicht zu akzeptieren bereit ist.
Die AfD zum Thema machen? Ihr ein Podium bieten? Mit ihr einen Diskurs führen? Die Debatte darüber dürfte die beiden großen Kirchen in Deutschland weiter umtreiben – erst recht nach dem vorhergesagten Einzug der Rechtspopulisten in den Bundestag.