DOMRADIO.DE: Ihre Abtei ist seit gut 10 Jahren klimaneutral – was heißt das denn genau? Bezieht sich das ausschließlich auf Ihre Gebäude oder auch auf andere Bereiche, wie etwa die Mobilität?
Pater Christoph Gerhard OSB (Cellerar der Benediktinerabtei Münsterschwarzach): Das bezieht sich auf den kompletten Energieverbrauch der Abtei Münsterschwarzach. Wir haben einerseits unsere Heizung auf Holz umgestellt, mit Biogas machen wir natürlich auch Kraft-Wärme-Kopplung und wir brauchen nur noch ganz wenig Öl. Wenn es richtig kalt wird, dann zum Heizen, ansonsten geht das alles regenerativ und über die Biogasanlage. Über Photovoltaik, über Wasserkraft und über Windkraft erzeugen wir mehr als das Doppelte von regenerativem Strom als wir selber brauchen. Wenn man das gegen unsere Mobilität, die natürlich noch am Benzin und am Diesel hängt und gegen unser Kochen rechnet, sind wir praktisch noch im Überschuss. Also sprich, wir produzieren 10% weniger CO2 als wir eigentlich brauchen.
DOMRADIO.DE: Was passiert denn mit dem Strom, den Sie gar nicht verwenden können?
P. Christoph: Den müssen wir ins Netz einspeisen und der wird natürlich unserem Energieversorger zur Verfügung gestellt, der ihn selber auch benutzen kann.
DOMRADIO.DE: Mehrere Diözesen haben in letzter Zeit angekündigt, auch klimaneutral werden zu wollen. Inwiefern kann die Abtei Münsterschwarzach dafür ein Vorbild sein oder Anregungen beisteuern?
P. Christoph: Unser Tun ist geistlich motiviert, ganz klar aus der Regel des Hl. Benedikt heraus. Die Benutzung der Alltagsgeräte, die wir täglich zum Arbeiten nutzen – da ist natürlich die Energie ja ganz wichtig – sollen behandelt werden wie heiliges Altargefäß. Das tun wir auch, dass wir eben nicht nur fromm in der Kirche stehen, sondern auch mit unserem Alltagsgerät so umgehen.
Und ganz wichtig ist für uns: Benediktiner leben ja nicht nur ein paar Jahre an einem Ort. Unsere Abtei Münsterschwarzach ist vor 1200 Jahren das erste Mal urkundlich erwähnt worden. Wir wollen, dass auch in 100, in 500 Jahren hier Mönche leben können und so müssen wir dann auch mit unserer Welt umgehen. Das ist eine ganz wichtige Geschichte. Den Diözesen kann man das als Anregung mitgeben.
DOMRADIO.DE: So vorbildlich Ihre Abtei auch ist, ist das Ganze nicht nur ein Tropfen auf einem heißen Stein? Bräuchte es nicht ein gemeinschaftliches Konzept der Ordensobernkonferenz, also einen gemeinsamen Plan aller Klöster in Deutschland?
P. Christoph: Klöster sind im Grund genommen alle eigenständige Firmen und da muss jedes Kloster für sich selber entscheiden, was es machen kann. Die Strukturen sind da sehr, sehr verschieden. Aber was auf jeden Fall läuft, ist ein großer Austausch unter den Orden. Wir haben jetzt demnächst auch wieder ein Treffen der Cellerare, also der wirtschaftlichen Verantwortlichen der Klöster, wo die Ökologie mit auf der Agenda steht. Das ist etwas, das auf jeden Fall sehr rege unter uns ausgetauscht wird.
DOMRADIO.DE: Was für eine Verantwortung haben kirchliche Einrichtungen dafür zu sorgen, dass sie möglichst kein CO2 ausstoßen?
P. Christoph: Für uns ist es ganz wichtig, dass wir die Schöpfung ja geschenkt bekommen haben von Gott und sie in dieser Weise auch nur für die nächste Generation "geliehen" ist. Das heißt, wir können sie nicht für uns verbrauchen, sondern wir haben sie in einem Zustand zu hinterlassen, der unserer Nachkommenschaft dient. Wenn wir jetzt zum Beispiel über das Klima sprechen, dann ist Klimagerechtigkeit eigentlich das falsche Wort. Es geht gar nicht um das Klima, sondern um die Menschen, denen wir die Zukunft stehlen. Und das dürfen wir nicht machen.
DOMRADIO.DE: Sie haben uns im Januar erzählt, dass Sie und Ihre Mitbrüder den Umweltschutz als ein zentrales Thema der nächsten Jahre erachten. Wie schätzen Sie denn das aktuelle Engagement der Jugend für den Klimaschutz ein?
P. Christoph: Einerseits sehe ich es absolut positiv, dass die Jugend sich wieder mehr dafür interessiert. Ich habe da vor fünf bis zehn Jahren eigentlich eher ein großes Nachlassen gemerkt. Das finde ich einfach klasse, dass sich die Jugend darum wieder mehr kümmert. Allerdings habe ich meinen Schülern hier – wir haben ja auch ein großes Gymnasium mit über 700 Gymnasiasten auf dem Gelände – gesagt, "Fridays for Future" ist in dem Sinne "Fridays für Bildung".
Ich glaube, Bildung ist einer der wichtigsten Bausteine, um Zukunft gestalten zu können. Und von einem Schulstreik allein? Der bringt es noch nicht, den kann ich dazu benutzen, Menschen wach zu rütteln und wieder zu sensibilisieren. Aber aus unserer Erfahrung heraus wird er keine langfristige Veränderung bringen. Die langfristige Veränderung wird die Jugend hauptsächlich dadurch bringen, dass sie Bescheid weiß, dass sie sich engagiert und dass sie wirklich nachhaltig im Sinne von über Jahrzehnte hin da einen Beitrag leistet.
DOMRADIO.DE: Waren denn bei Ihnen an den Freitagen dann auch die Klassenzimmer leer?
P. Christoph: Zum Teil sind welche zu diesen Demonstrationen hingegangen. Wie gesagt, ich halte sie nicht für komplett verkehrt. Nur das andere Engagement muss dazu kommen, sonst halte ich es für zu wenig.
DOMRADIO.DE: Aktuell tourt ja Greta Thunberg durch die Welt und wirbt für mehr Klimaschutz. Erst am Mittwoch ist sie mit einem Segelboot nach Amerika aufgebrochen, um dort an der Klimakonferenz teilzunehmen. Sollten wir uns Greta als Vorbild nehmen?
P. Christoph: In dem Sinne, dass wir auf ein Thema aufmerksam werden, das in unserer Gesellschaft unterbelichtet ist: Ja. Wir leben über die Verhältnisse unseres Globus, aber das wissen wir schon seit 50 Jahren – seit dem "Club of Rome" und vorher hat es auch schon Papst Paul IV. in Veröffentlichungen angesprochen. Wir wissen eigentlich, dass wir da etwas verändern müssen. Im Sinne davon, dass wirklich etwas weitergeht, brauchen wir, denke ich, mehr als nur eine Demonstration.
DOMRADIO.DE: Wie könnte denn dieses "Mehr" aussehen?
P. Christoph: Das ist eine ganz schwierige Frage. Sie sprechen die Klimakonferenz an. Eigentlich ist alles klar beschlossen, in Paris sind im Grunde genommen die richtigen Weichen gestellt worden. Wichtige Länder haben leider nicht mitgemacht – wie die USA – oder sind dann wieder ausgestiegen. So geht das natürlich nicht. Aber wie es denn eigentlich genau geht, das ist natürlich schon schwierig zu wissen. Da halte ich das persönliche Engagement für das Entscheidende, so versuchen wir es in der Abtei auch.
Das Interview führte Moritz Dege.