DOMRADIO.DE: Bei manchen läuten bei Themen wie Klimaschutz und "Nachhaltigkeit auf dem Teller" die Alarmglocken. Sie befürchten zum Beispiel, dass man einem das Fleischessen verbieten will. Ist das so?
Dr. Vera Bünnagel (Klimaschutzbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln): Nicht nur Fleisch, sondern am besten noch alle anderen tierischen Produkte. Denn die verzehrt man aus Klimaschutzsicht auch besser nicht. Aber nein, wir wollen nichts verbieten. Wir wollen sensibilisieren und für mehr Ausgewogenheit sorgen. Niemand muss komplett auf Fleisch verzichten.
Aber vielleicht können wir uns einfach wieder ein bisschen besinnen und uns ein wenig in Bescheidenheit üben. Vielleicht können wir uns mit dem Sonntagsbraten begnügen. Früher war Fleisch einfach nicht so eine alltägliche Sache, wie es das heute ist. Die Menge an Fleisch und Milchprodukten, die wir konsumieren, die ist auch gar nicht gesund.
DOMRADIO.DE: Was für eine Rolle spielt der Fleischkonsum beim Klimawandel?
Bünnagel: Insgesamt ist die Ernährung ein oft stark unterschätzter Faktor für den Klimawandel. Ein Drittel der ganzen globalen Treibhausgasemissionen wird auf die Ernährung zurückgeführt. Davon ist ungefähr die Hälfte auf den Fleischkonsum zurückzuführen.
Wenn wir alle vegetarisch essen würden, hätten wir noch die Hälfte an klimaschädlichen Emissionen. Wenn wir alle vegan essen würden, hätten wir sogar 70 Prozent weniger Emissionen durch unsere Ernährung. Das müssen wir nicht in dieser Konsequenz tun, aber wenn wir einfach weniger davon auf dem Teller haben, dann sind wir schon einen riesengroßen Schritt weiter.
DOMRADIO.DE: Weniger ist auch ein Stichwort bezüglich der Tatsache, dass wir pro Kopf in Deutschland jedes Jahr ungefähr 79 Kilogramm Lebensmittel wegschmeißen. Wie kann man das vermeiden?
Bünnagel: Man muss sich diese Zahl mal vor Augen führen. Das sind fast 80 Kilo pro Person pro Jahr, die wir wegwerfen. Das mag ich mir für unsere fünfköpfige Familie gar nicht ausrechnen. Das meiste werfen tatsächlich private Haushalte weg. Die Zahlen sagen, dass 60 Prozent von diesen 80 Kilo pro Kopf pro Jahr tatsächlich in privaten Haushalten weggeworfen werden.
Ein Alltagstipp wäre, besser zu planen und zu kommunizieren, wer ist überhaupt zu Hause? Wer hat überhaupt Hunger? Vielleicht muss man den Mut dazu haben, dass ein Topf leer ist oder weniger da ist und man dann noch mal etwas Obst zum Nachtisch isst. Wir müssen davon wegkommen, dass von allem immer mindestens genug, aber eigentlich sogar eher zu viel da sein muss.
DOMRADIO.DE: Geht es da zum Beispiel um den Joghurt, der seit acht Wochen abgelaufen ist, den man am Ende in den Müll wirft?
Brünnagel: Das sicherlich auch, aber es sind auch viele zubereitete Speisen, die am nächsten Tag nicht gegessen oder weiter genutzt werden. Neben den privaten Haushalten haben Gemeinschaftsverpflegungen wie ich finde ganz krasse Zahlen an Abfällen. Sprich, in Schulen, in Restaurants, in Altenhilfe-Einrichtungen, die wir auch als Caritas haben.
Ein Drittel der zubereiteten Speisen landet im Müll. Da haben wir umsonst die Dinge angebaut und umsonst die Dinge zubereitet, wir haben viele Emissionen verursacht, Kosten für Personal gehabt, haben uns viel Mühe gegeben und ein Drittel davon landet im Müll.
DOMRADIO.DE: Spontan fällt mir dazu ein, dass manchmal Dinge nicht weitergegeben werden dürfen, wenn sie schon in irgendeinem Topf gewesen sind. Ist das in Ihren Augen eine Stellschraube, an der man drehen könnte?
Bünnagel: Ja, am besten, indem man gar nicht so viel herstellt und bereitstellt. Denn dann sprechen natürlich oft Hygienevorschriften oder die Haltbarkeit dagegen. Ich glaube, da kann man schon viel auch informell tun. Aber in den Altenhilfe-Einrichtungen gibt es ganz sicher sehr starke Vorschriften und Begrenzungen.
Aber gerade in solchen Einrichtungen zeigt die Praxis, wenn zum Beispiel der Einkauf oder die Küche mehr kommuniziert mit den Leuten, die das Essen ausgeben, dann kommt schon viel an und es kann viel stärker nach Bedarf gekocht werden.
DOMRADIO.DE: Aber müsste es nicht auch den Appell an die Politik geben, dass zum Beispiel im Handel oder bei den Bauern Lebensmittel nicht vernichtet werden, weil sie eine Macke haben oder krumm sind?
Bünnagel: Ja, sicherlich. Aber tatsächlich ist das ein untergeordneter Teil. Denn der große Teil der Lebensmittel wird tatsächlich in der Gemeinschaftsverpflegung und in den privaten Haushalten weggeworfen, auch in der Verarbeitung fallen Abfälle an. Aber auf dem Feld ist das gar nicht mehr so viel. Es gibt inzwischen auch vielfach "Krumme Dinger", so heißen sie oft, die man dann kaufen kann.
Das können wir natürlich alle auch konsequent tun, selbst den Apfel kaufen, der eine Macke hat. Aber ich glaube, vor allem müssen wir uns an die eigene Nase packen. Es ist immer so leicht, Appelle zu setzen, aber ganz viel können und müssen wir einfach selbst tun.
DOMRADIO.DE: Das ist auch Thema im Maternushaus in Köln am Donnerstag. Was ist das für eine Veranstaltungen?
Bünnagel: Wir bieten insgesamt elf Workshops an, um ganz konkrete Umsetzungsmöglichkeiten und Lösungen zu besprechen. Wie sieht der Speiseplan der Zukunft in einer sozialen Einrichtung aus, in einer Kita oder in einer Altenhilfe-Einrichtung oder in einer OGS? Woran kann man sich beim Einkauf in diesen Institutionen orientieren? Gibt es da Orientierungsleitlinien?
Ist vegetarisch immer besser? Ja! Ist pflanzlich immer besser? Ja! Aber regional ist zum Beispiel nicht immer besser. Wenn die Tomate aus dem Treibhaus kommt, hilft das nicht. Aber es gibt auch pragmatische Lösungen, damit das Ganze ins Budget passt. Ganz konkret geht es um die Frage, was wir schon morgen in unserer eigenen Einrichtung ändern können.
DOMRADIO.DE: Kann man noch spontan an der Veranstaltung teilnehmen?
Bünnagel: Nein, das geht leider nicht. Wir werden aber Ergebnisse und Präsentationen auf der Internetseite www.koelner-klimaforum.de dokumentieren.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.