Kölner Diözesanjugendseelsorger will Jugend Mut machen

"Wir wollen eine Hoffnung wecken"

Die Studie "Jugend in Deutschland 2024" zeigt eine pessimistisch in die Zukunft blickende Generation. Für Kölns Diözesanjugendseelsorger wenig überraschend. Die abnehmende Relevanz der Kirche beschäftigt ihn. Was muss sich ändern?

Symbolbild Jugendliche tanzen mit einem Ordensbruder beim Weltjugendtag in Lissabon / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Symbolbild Jugendliche tanzen mit einem Ordensbruder beim Weltjugendtag in Lissabon / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Haben Sie die Ergebnisse dieser Jugendstudie überrascht?

Pfarrer Tobias Schwaderlapp, Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrer Tobias Schwaderlapp, Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln): Überrascht haben mich die Ergebnisse nicht, trotzdem bedrücken sie mich. Es ist nicht zufriedenstellend, dass es jungen Leuten durchschnittlich so schlecht geht. Es gibt sicherlich viele Jugendliche, die sehr gut zurechtkommen und auch gut durch die aktuellen Krisen und die der vergangenen Jahre kommen. Es gibt aber auch sehr viele, die dabei unter die Räder gekommen sind.

Die Studie zeigt einen Durchschnittswert über diese Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Das Ergebnis ist schon sehr bedrückend und bedenklich, hat mich aber nicht wirklich überrascht.

DOMRADIO.DE: Bei der Frage nach entscheidenden Akteuren für die Zukunft der Jugendlichen landen Kirche und religiöse Gemeinschaften auf dem letzten Platz. Was macht das mit Ihnen?

Schwaderlapp: Das stimmt mich nachdenklich und es macht auch irgendwie ehrlicher. Wenn man irgendwo in die Kirche geht, dann ist es da fromm und es geht zu Herzen, aber ein repräsentatives Bild der Gesellschaft ergibt sich in einem Sonntagsgottesdienst nicht. Ihre 'Peergroup' entdecken Jugendliche dort auch nicht.

Jetzt heißt es sofort "Relevanzverlust der Kirche in der Gesellschaft" – und die Reaktion ist wie immer die Frage, wie Kirche wieder an Bedeutung und Relevanz gewinnen kann. Ich glaube, dass wir, wenn wir dort ansetzen, am Symptom herumdoktern und nicht den Grund dafür suchen. Auf Teufel komm raus, wieder an Bedeutung zu gewinnen und relevant zu werden reicht nicht.

Tobias Schwaderlapp

"Aber wenn ich diesen Christus für mich nicht entdeckt habe, ganz ehrlich, wofür braucht es dann Kirche?"

Wenn ich auf mich selbst schaue, kann ich lernen, worauf es ankommt, um der Gesellschaft und dieser Welt vermitteln zu können, welche Relevanz Christus hat und welche Hoffnung er bringt. Dafür muss ich auskunftsfähig über diesen Christus sein. Ich muss ihn für mich entdeckt haben. Ich muss feststellen, ob dieser Christus eine Bedeutung für mein Leben hat und wissen, was Christus mir bedeutet, bevor ich das als Kirche gemeinschaftlich feststelle. Aber wenn ich diesen Christus für mich nicht entdeckt habe, ganz ehrlich, wofür braucht es dann Kirche?

DOMRADIO.DE: Kirche versucht, Jugendliche zu erreichen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Informationsbeschaffung von Jugendlichen verändert hat. Das Internet und soziale Medien spielen eine große Rolle. Ist die Kirche da gut aufgestellt?

Schwaderlapp: Erst ein Gedanke zum ersten Satz: Kirche versucht Jugendliche zu erreichen. Kirche hat den Auftrag, Menschen zu erreichen, besonders dort, wo es ihnen nicht gut geht und sie Hilfe brauchen. Wir haben mit Blick auf diese Welt und unsere Gesellschaft einen karitativen Auftrag. Wenn Jugendliche Hunger haben, verkünden wir nicht nur Christus, sondern geben Brot dazu. Gleichzeitig wollen wir eine Hoffnung wecken und schüren, die über diese Welt hinausgeht.

Tobias Schwaderlapp

"Kirche, die im digitalen Raum nicht cringe ist, ist schwer zu finden."

Das wollen wir auch im digitalen Raum. Doch dort tun wir uns als Kirche nach wie vor schwer. Immer dann, wenn wir mit irgendwas um die Ecke kommen, ist die Gesellschaft schon wieder woanders und hat es schon seit Jahren wieder ad acta gelegt. Kirche, die im digitalen Raum nicht cringe ist, ist schwer zu finden.

Wir versuchen in der Jugendseelsorge auch noch mal was Neues mit einer Plattform, die sich wunderpunkt.net nennt. Dort soll es nicht nur ein Online-Magazin geben, sondern wir versuchen Community-Building in den sozialen Medien zu betreiben. Dafür nutzen wir verschiedene Formate wie Podcasts oder Wettbewerbe, um junge Leute dazu zu animieren, sich im digitalen Raum mit Fragen auseinanderzusetzen, die ihr Leben betreffen und auf der Plattform miteinander tiefer zu graben, um wieder auf den Quellgrund der Hoffnung im Leben zu stoßen.

Ich glaube, wer Hoffnung hat, radikalisiert sich nicht. Wer Hoffnung hat, packt an. Wer Hoffnung hat, engagiert sich. Wer keine Hoffnung hat, hat auch keine Perspektive und es fällt schwer, sich zu motivieren.

DOMRADIO.DE: Die Ergebnisse der Studie können einen verzweifeln lassen. Was macht Ihnen trotzdem Mut?

Tobias Schwaderlapp

"Die jungen Leute haben Hoffnung, haben Perspektive, haben Mut und Motivation."

Schwaderlapp: Die Begegnung mit jungen Leuten machen mir immer wieder Mut. Es gibt viele, denen es nicht gut geht. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich sicherlich mit vielen von denen gar nicht erst in Kontakt kommen werde, weil ich als Gesprächspartner überhaupt nicht auf dem Schirm bin. Ich merke aber auch, dass ich mit vielen im Gespräch bin. Viele vertrauen sich mir an. Mit vielen habe ich eine Gesprächsebene. Viele sagen mir, dass sie sich nicht mit der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, der Radikalisierung, den gesellschaftlichen Zerwürfnissen und all dem zufriedengeben wollen.

Das Engagement ist da. Da sieht man beim Altenberger Licht. Das wäre alles nicht möglich, wenn es keine jungen Leute gäbe, die, weil es so dunkel ist, ein Licht anzünden, weitergeben und empfangen wollen. Die jungen Leute haben Hoffnung, haben Perspektive, haben Mut und Motivation. Sie wollen ihr Licht weitergeben und in die Gesellschaft hereintragen. Auch diese jungen Leute, diese Menschen gibt es und sie setzen sich ein. Dafür bin ich super dankbar.

Das Interview führte Alexander Foxius.

Jugendseelsorge im Erzbistum Köln

Die Angebote von Jugendseelsorge und Jugendarbeit sind so vielfältig wie die Interessen und Bedürfnisse der jungen Menschen zwischen sechs und 27 Jahren, gleich welcher Herkunft und Religion. Im Erzbistum Köln finden Jugendseelsorge, kirchliche Jugendarbeit und Jugendhilfe vor allem vor Ort statt: in den Kirchengemeinden, jugendpastoralen Zentren und Jugendkirchen, in den Jugendverbänden, in den Jugendzentren der offenen Kinder- und Jugendarbeit, in den Einrichtungen und Projekten der Jugendsozialarbeit oder in den Jugendbildungsstätten.

Seelsorge im Jugendbereich / © Freedom Studio (shutterstock)
Seelsorge im Jugendbereich / © Freedom Studio ( shutterstock )
Quelle:
DR