Kölner Domforum feiert 20-jähriges Bestehen

Offen für alle Menschen

Eines der größten Citykirchen-Projekte Deutschlands wird am 1. Oktober 20 Jahre alt: das Kölner Domforum. Leiter Rainer Tüschenbönner spricht im Interview über Anspruch und Wirklichkeit citypastoraler Angebote.

Kölner Domforum / © Domforum
Kölner Domforum / © Domforum

Kirchenzeitung: Was muss für Sie persönlich eine gute Citypastoral leisten?

Tüschenbönner: Citypastoral muss zunächst offen sein für alle Menschen. Sie muss ihnen über ein entsprechendes Gesprächs- und Informationsangebot die Möglichkeit bieten, Kontakt zum Glauben und zur Kirche zu finden – überhaupt Kontakt zu finden oder ihn wieder neu zu finden. Nähe und Distanz sollen die Menschen dabei selbst bestimmen können. Auf den Punkt bringen lässt sich unsere Arbeit mit drei Schlagworten, die auf unseren ersten Leiter Dr. Karl Heinz Paulus zurückgehen: Anonymität, Gastfreundschaft, Spontaneität.

Kirchenzeitung: Citypastorale Angebote gibt es seit gut 30 Jahren. Was war damals der konkrete Anlass, entsprechende Angebote einzuführen?

Tüschenbönner: Natürlich hat das Zweite Vatikanische Konzil markante Zeichen gesetzt mit seiner Pastoralkonstitution "Gaudium et spes": Die Menschen müssen in ihrer Hoffnung, ihrer Freude und ihren Sorgen ernst genommen werden. Das hat sich Citypastoral zur Aufgabe gemacht. Ausschlaggebend war natürlich auch das Wegbrechen katholischer Milieus, was ja schon vor dem Konzil einsetzte. Das bedeutet, es gibt immer mehr Menschen, die der Kirche fernstehen. Und mit diesen Menschen will Citypastoral in Kontakt kommen, indem sie an markanten Orten präsent ist – an Orten, die unabhängig sind von den üblichen Präsenzen der Kirche.

Kirchenzeitung: Das Konzept der Citypastoral lautet also: Kirche geht zu den Menschen. Aber was will sie konkret? Menschen wieder zur Kirche zurückführen und Kirchenferne überhaupt erst zum Glauben führen?

Tüschenbönner: Also zunächst: Wir wollen hier nicht missionieren. Viele Menschen sind auf der Suche nach Sinn und Orientierung. Und denen wollen wir helfen, indem wir ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Glaube und Kirche hilfreich sein können für ihr Leben. Das ist aber nur ein Angebot. Und wenn es dazu führt, dass der eine oder andere den Weg in die Kirche findet oder wiederfindet, ist das gut. Aber wenn wir den Anspruch hätten, jeden, der hierher kommt, erstmal zu missionieren, würden wir sicher Schiffbruch erleiden.

Kirchenzeitung: Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der citypastoralen Arbeit verändert?

Tüschenbönner: Man musste mit den Jahren immer niederschwelliger werden mit dem, was man an Vorkenntnissen zur Kirche erwarten kann. Ein Schwerpunkt bei uns ist die Organisation der Domführungen. Und da erlebt man ganz oft, dass die Menschen fasziniert sind vom Dom, aber mit bestimmten kirchlichen Festen oder Begrifflichkeiten nichts mehr anfangen können. Außerdem ist das Angebot der Citypastoral gewachsen: Man hat gelernt, dass man an ganz unterschiedlichen Orten und mit ganz unterschiedlichen Aktionen Glauben in der Öffentlichkeit zum Gesprächsthema machen kann. Zum Beispiel Pastoralreferent Dr. Werner Kleine in Wuppertal mit seinem Straßenapostolat: Er stellt sich mitten in die Fußgängerzone als "Störer" im Einkaufsbetrieb und kommt mit Menschen ins Gespräch. Er hat unter anderem eine Aktion, bei der er verschiedene Weihrauchfässer ausstellt und so Aufmerksamkeit erregt. Wichtig ist bei allen citypastoralen Angeboten, dass sie niemals aufzwingend sind, sondern wirklich ein Angebot bleiben.

Kirchenzeitung: Müsste das aber vielleicht doch ausgeweitet werden nach dem Motto: Wir müssen offensiver auf die Menschen zugehen, sonst sind unsere Kirchen bald ganz leer?

Tüschenbönner: Ich glaube nicht. Das wäre auch nicht Aufgabe von Citypastoral. Es gibt eine immer stärkere Ich-Bezogenheit in unserer Gesellschaft. Das sollte man nicht überlagern mit einem "Ich weiß, was für dich gut ist". Dann gehen die Menschen wohl eher einen Schritt zurück und man verliert die Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Wenn ich aber sage "Mir tut das, wofür ich hier stehe – Glaube und Kirche – gut; und wenn du willst, erzähle ich dir davon; aber du sagst, wann und wieviel" – dann ist das eine Haltung, die wesentlich freundlicher und nachhaltiger ist.

Kirchenzeitung: Was genau ist das Selbstverständnis des Domforums?

Tüschenbönner: Wir sind Haus der katholischen Kirche Kölns, ein Begegnungs- und Veranstaltungszentrum sowie Besucherzentrum des Doms. Neben den Domführungen bieten wir jeden Tag ab 17 Uhr Veranstaltungen an, etwa 470 pro Jahr. Das ist eine ganz breite Palette: von Meditationen und spirituellen Gesprächsrunden über Vorträge und Podiumsdiskussionen bis hin zu musikalischen und speziellen Familienangeboten. Mit der Vielzahl von Veranstaltungen und dem Gesprächsangebot möchten wir ganz unterschiedliche Menschen erreichen und mit ihnen in einen Dialog treten.

Kirchenzeitung: Und Sie erreichen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und nicht nur einen "geschlossenen katholischen Kreis"?

Tüschenbönner: Das ist so. Quer durch alle Altersgruppen. Kirchennahe und Kirchenferne. Auch evangelische Christen, Muslime und Buddhisten kommen. Das ökumenische Gespräch und der interreligiöse Dialog sind uns hier sehr wichtig. Denn es braucht – wie auch Papst Franziskus oder Kardinal Woelki schon öfter betont haben – ein Miteinander der Religionen, um aktuelle gesellschaftliche Probleme zu bewältigen, etwa derzeit die Flüchtlingsproblematik.

Kirchenzeitung: Das Beratungs- und Gesprächsangebot ist einer der Schwerpunkte des Domforums. Mit welchen Anliegen kommen die Menschen?

Tüschenbönner: Das sind immer wieder soziale Fragestellungen. Zum Beispiel wenn Menschen wegen eines Todesfalls oder durch den Verlust des Arbeitsplatzes in eine Notlage geraten. Oft sind wir da nur Erstkontakt und vermitteln an entsprechende Beratungsstellen weiter. Viele Menschen möchten auch Gespräche über den Glauben führen oder sich einfach über eine bestimmte Kirche in der Stadt informieren. Unsere Mitarbeiter sind in der Lage, in ganz vielen verschiedenen Anliegen zu helfen.

Kirchenzeitung: Wie haben sich die Besucherzahlen in den vergangenen beiden Jahrzehnten verändert?

Tüschenbönner: Wir haben jährlich um die 350.000 Besucher. Das ist konstant, im Vergleich zu den Anfangsjahren ist die Zahl sogar gestiegen. Natürlich hängt das damit zusammen, dass wir mit unserer Lage gesegnet sind: in der Nähe zu Hauptbahnhof und Dom, am Beginn der Hohen Straße, neben dem Kultur- und dem Banken- und Versicherungsviertel. Quasi jeder, der nach Köln kommt, kommt hier vorbei. Der Standort eines citypastoralen Angebots ist also ganz entscheidend.

Kirchenzeitung: Was muss sich in der Citypastoral in den kommenden Jahren ändern – allgemein wie auch speziell fürs Domforum?

Tüschenbönner: Ich denke, wir sind im Erzbistum gut aufgestellt in der Citypastoral. In großen wie auch kleineren Städten sind wir präsent. Wenn wir es also weiterhin schaffen, das Kirchliche in die Stadt hineinzuformulieren, den Glauben "ins Heute" zu bringen, dann muss sich nicht viel ändern. Dann können wir mit unseren motivierten Mitarbeitern Kirche und Glaube weiterhin im Gespräch halten.

Das Interview führte Tobias Glenz von der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln.

Info:
Am Donnerstag, 1. Oktober, feiert das Domforum seinen 20. Geburtstag. Um 15 Uhr wird zu einem "Kaffeeklatsch" im Foyer eingeladen. Um 17 Uhr soll es eine Überraschungsaktion geben. Sonderöffnungszeiten: Do., 1.10., und Fr., 2.10., jeweils 9.30 bis 17.30 Uhr.