"Sie sollen sehen, lernen und helfen", fordert Schwester Ursula. Sie fackelt nicht lange und kommt direkt zur Sache. Sie hat sich neben Kardinal Woelki platziert, der Jordanien im Rahmen seiner Nahost-Reise einen Besuch abstattet. In Jordanien arbeiten rund 70.000 Einwanderer aus Südostasien - die meisten von ihnen Frauen - als Hausangestellte oder in Textilfabriken. Häufig werden sie Opfer von Menschenrechtsverletzungen, mit teils schlimmen Folgen. Schwester Ursula kennt die Welt, die der Kölner Erzbischof hier erstmalig in Jordanien mit eigenen Augen zu sehen bekommt. Woelki hat jetzt auch Zeit mit gebracht und ein offenes Ohr für die Anliegen der katholischen Gesprächspartner, die hier vor Ort helfen, so gut es denn irgendwie geht.
Die Salvatorianerin Schwester Ursula Hopfensitz ist eine dieser unermüdlichen Helfer - und schon weit über ein Jahrzehnt hier in Jordanien im Einsatz. Sie erzählt nicht nur von den Flüchtlingen, die zu Hundertausenden über die Grenze aus Syrien und dem Irak gekommen sind, sie berichtet auch von Migranten aus Sri Lanka, Indonesien und den Philippinen, die hier im kleinen Land Jordanien oft völlig vergessen werden: Junge Frauen, die als Näherinnen oder Hausangestellte ihr Leben bewältigen. Knapp 110 Euro verdient eine Näherin pro Monat und Schwester Ursula weiß ganz genau, was das bedeutet: "Das ist modernes Sklaventum! Natürlich gibt es Arbeitsschutzgesetze, aber wenn die nicht eingehalten werden…". Wenn man nach 20 Jahren eine Haushaltshilfe loswerden wolle, reiche es, der Polizei zu erzählen, sie habe gestohlen. Schon finde sich die Frau aus Sri Lanka im Gefängnis wieder.
Inhaftierte werden "freigekauft" mit Tickets in die Heimat
Zusammen mit ihren beiden Mitschwestern und der Unterstützung der örtlichen Caritas und des Erzbistums Köln organisiert Schwester Ursula auch Gefängnisbesuche. Wenn sie den gefangenen Frauen ein Ticket in ihre Heimatländer mitbringt, lassen die Behörden sie oft gehen. Gerade erst haben die engagierten Schwestern mit Tickets 70 Gefangene "freigekauft". Wenn es junge Frauen sind, können diese vielleicht noch zurück zu ihren Familien. Anders sieht es aus, wenn eine Mutter aus Sri Lanka nach über 20 Jahren moderner Sklavenarbeit in Jordanien zurück in ihre Heimat kommt. Neulich erst hat Schwester Ursula so eine weinende Frau angerufen - der eigene Sohn habe seine Mutter nicht aufgenommen, weil er sie angeblich gar nicht mehr kannte. Die Sorgenfalten auf der Stirn des Kardinals, dem eben die Caritasmitarbeiter schon das Elend in den Flüchtlingscamps anschaulich berichtet hatten, scheinen in diesem Moment noch ein wenig tiefer zu werden.
Aber Schwester Ursula ist noch nicht fertig. Sie erklärt dem Erzbischof aus dem reichen Deutschland dann noch, wie heute Globalisierung funktioniere: "Da arbeiten diese armen Frauen oft Tag für Tag bis zur Erschöpfung, machen noch Überstunden, weil sie dann ein wenig mehr Geld zu ihren Familien nach Hause nach Sri Lanka schicken können - und sie arbeiten in Firmen, die die Chinesen hier in Jordanien aus dem Boden gestampft haben - und nähen 10 Stunden am Tag die gleiche Naht an Blusen, die dann in die USA exportiert werden!" Aber auch von physischen, psychischen Schäden und sexuellen Übergriffen gerade bei Hausangestellten kann die Schwester des Salvatorianerordens berichten. Woelki fragt gezielt nach und es wird deutlich, dass der Kölner Erzbischof - trotz der jährlichen Spende, die sein Erzistum an die Schwestern und die Caritas in Jordanien überweist - sich insgeheim schon fragt, wie er sein Amt nutzen kann, um hier noch wirkungsvoller zu helfen.
Der Frühling macht Hoffnung
"Sie sollen sehen, lernen und helfen!", diesen Dreischritt hatte die Schwester von ihrem Besuch eingefordert. Schon am ersten Tag hier hinter dem Jordan im armen Hinterland beginnt die Lektion, die sich Woelki wohl auch selber verordnet hat. Hoffnung macht da nur das zarte erste Grün des Frühlings, das im trostlosen Dreck der Armut einiges zuwachsen wird, und das hilfsbereite Lächeln von Sr. Ursula, die hier so lange helfen will, wie sie nur eben kann.