DOMRADIO.DE: 21 Teilnehmende, teilweise im Rentenalter, sind eine Woche lang mit Ihnen unterwegs. Die Reise geht nach Husum. Warum ist es wichtig, dass gehörlose Männer und Frauen in der Gruppe reisen?
Gabriele Schäfer (Ehrenamtskoordinatorin St. Georg Köln): Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Gehörlose, gerade ältere Menschen, oft alleine leben, sehr vereinsamen, weil sie auch in ihrer Umgebung nicht immer Menschen haben, mit denen sie sich unterhalten können oder gebärden können. Und wir haben in St. Georg wöchentliche Treffs von verschiedenen Gruppen und haben letztes Jahr zum ersten Mal ein Experiment gemacht, nämlich eine gemeinsame Urlaubsreise nach Rheinsberg über die Caritas Rhein-Erft-Kreis. Und das ist so gut angekommen, dass wir das jetzt noch mal mit zum Teil älteren Menschen wiederholen.
DOMRADIO.DE: Wie muss man sich das vorstellen? Wie läuft das dann im Bus, wenn es normalerweise eine Ansage gibt durchs Mikrofon: Nächste Pause in 20 Minuten. Wie geht das bei Ihnen?
Schäfer: Wir haben eine Gebärden-Dolmetscherin dabei und zwei Assistentinnen, junge Studentinnen, die die Gebärdensprache erlernen. Und sobald es etwas zu verkünden gibt, wird das den Mitreisenden in Gebärdensprache übermittelt.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch Programm auf Husum geplant. Können Sie dann so richtig intensive Tages planen oder ist es ziemlich anstrengend für Gehörlose?
Schäfer: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben Gehörlose dabei, die sind fit, die kriegen einen Stadtplan in die Hand und können den Ort alleine entdecken. Und wir haben auch Menschen dabei, die auch Begleitung brauchen. Deshalb fahren auch vier Begleiterinnen mit. Wir gehen zuerst durch die Stadt, so damit jeder ein Gefühl dafür hat, wo wir sind. Wir lassen dann noch Zeit zur freien Verfügung und treffen uns dann wieder an ausgemachten Treffpunkten, zum Beispiel zur Hafenrundfahrt. Und es sind ja auch hörende Mitreisende dabei.
DOMRADIO.DE: Spricht jeder dieselbe Gebärdensprache oder gibt es auch jemanden, der da nicht so gut mitkommt?
Schäfer: Das ist auch ganz unterschiedlich. Gerade die älteren Menschen sind oft nicht so firm in Gebärdensprache, weil sie das als Kind gar nicht lernen durften. Also viele erzählen mir, dass sie früher die Hände auf dem Rücken gebunden bekamen, damit sie keine Gesten machten, weil sie von den Lippen ablesen sollten.
DOMRADIO.DE: In den 1940er, 1950er Jahren sind die teilweise sehr groß geworden. Es gab also vermutlich auch keine Förderung damals.
Schäfer: Nein, viele sind auch im Heim groß geworden, weil gehörlos damals gleichgesetzt wurde mit "dumm". Das ist heute alles anders.
DOMRADIO.DE: Sie sind in der Gemeinde ganz stark in der Hörbehinderten-Seelsorge. Es ist ein Diözesanzentrum. Wofür steht Sankt Georg?
Schäfer: Sankt Georg steht als Gemeinde für Integration. Uns ist wichtig, hörende, schwerhörige und gehörlose Menschen zu vernetzen. Die Messe wird übrigens sonntags immer in Gebärdensprache übersetzt, sodass Hörende und Gehörlose gleichzeitig am Gottesdienst teilnehmen können. Einmal im Monat haben wir ein Pfarrcafé nach dem Gottesdienst, da trifft man sich im Pfarrheim oder Pfarrgarten bei schönem Wetter zu Kaffee und Kuchen. Da findet immer ein reger Austausch statt.
Das Interview führte Tobias Fricke.