DOMRADIO.DE: Sie selbst nennen die "Lange Nacht der Kirchen" eine Erfolgsgeschichte, die sich auch zur eigenen Marke etabliert hat. Wie zeigt sich das?
Dr. Dominik Meiering (Kölner Innenstadtpfarrer und Domkapitular): Wir haben so viele Orte wie noch nie. Es sind sieben mehr als im vergangenen Jahr. Und wir eröffnen jetzt noch einmal neu nach Corona mit einem ganz bunten und breiten Angebot. Eine Erfolgsgeschichte ist es deswegen, weil von Jahr zu Jahr mehr Menschen kommen, die en Abend einfach nutzen, um von Kirche zu Kirche zu wandern oder mit dem Fahrrad zu fahren.
Manche kommen aus dem Speckgürtel der Stadt hineingefahren, um einmal bewusst diese Kirchorte zu erleben. Andere sagen wohnen zwar in der Innenstadt, sind aber in der ein oder anderen Kirche vielleicht noch nicht gewesen und möchten sich diese nun anschauen. So ist es ein ganz schönes Ereignis, ein Event, wo man etwas finden kann.
DOMRADIO.DE: Das Ziel der Langen Nacht ist es, Erfahrungsräume zu öffnen. Kirche soll zum Ort der Begegnung werden. Für wen genau?
Meiering: Zur Begegnung mit Gott, zur Begegnung untereinander, aber dann auch zur Begegnung mit diesen großartigen Räumen, mit der Kultur, die sich darin ereignet, mit der Musik, mit den Lichtinstallationen, die wir haben, mit den Kerzen, die wir dort entzünden. Wir haben eine ganz große Bandbreite.
Ich bin der Überzeugung, dass wir in der Kölner Innenstadt profilierte Kirchorte brauchen. Daran arbeite ich als Stadtpfarrer auch, dass wir die ganze Bandbreite dessen, was katholisch ist, abgebildet bekommen.
Jeder soll etwas finden können, und das ist bei der Langen Nacht auch so. Da ist vom Plattenauflegen in St. Agnes bis hin zu alten lateinischen Gesängen in St. Aposteln die ganze Bandbreite dabei. Jeder von jung bis alt, von richtig brav, fromm bis freakig ausgeflippt, findet da irgendetwas heute Abend in unseren Kirchen.
DOMRADIO.DE: Ist diese ökumenische Aktion vielleicht gerade in Kriegszeiten mit Blick auf die Ukraine wichtig?
Meiering: Ganz sicher, denn unsere Kirchen sind natürlich Ruheräume, Rückzugsräume, Orte der Aufmerksamkeit und der Nachdenklichkeit. Das Thema Krieg ist auch an vielen Kirchorten thematisiert, wo man eine Ukraine-Flagge findet und wo man eine Kerze aufstellen oder aber auch sein Gebet, seine Bitte hinterlassen kann. Auch dafür ist viel Raum und Zeit.
Wir haben einige Kirchen, in denen passiert gar nichts. Die sind aber geöffnet und laden durch ihre Atmosphäre und durch die Gestaltung mit Kerzen und Schmuck und dergleichen ein, genau diese Räume zu erfahren.
DOMRADIO.DE: Das Programm ist viergeteilt, darunter dann auch die Kategorien "calm + smoth" und "pop + beat". Was versteckt sich hinter diesen Begriffen?
Meiering: Für denjenigen, der nicht so richtig weiß, wo er denn mal hingehen soll, haben wir gedacht, schaffen wir ein paar Begriffe. Die englischen Begriffe versuchen zugegebenermaßen ein bisschen ein jüngeres Publikum einzuladen. Es meint, dass man bei diesen Angeboten zur Ruhe kommen kann oder dass hier etwas mehr passiert.
Da singt zum Beispiel ein Pop-Chor oder da werden Schallplatten aufgelegt. Oder "experience + adventure" ist zum Beispiel noch so eine Kategorie. Da gibt es eine Mitmach-Ausstellung im Crux in dem Jugendpastoralen Zentrum. Oder "listen + reflect" ist zum Zuhören, aber da kann man auch mitdiskutieren. Da ist bewusst ein Angebot geschaffen, dass man auch selbst ins Gespräch kommen kann.
Wir haben in all unseren Orten Ehrenamtler sowie Seelsorgerinnen und Seelsorger, die auch zum Gespräch bereitstehen. Denn wir wollen nicht nur unsere Kirchorte öffnen, sondern wir wollen auch unsere Herzen als Kirchengemeinden öffnen.
DOMRADIO.DE: Mit welchen Hoffnungen begehen Sie diese Aktion?
Meiering: Ich hoffe, dass sich viele Menschen einfach auf den Weg machen und mal schnuppern kommen und vielleicht dann auch unsere wunderbaren Kirchorte, die unsere Stadt ja so sehr prägen, noch einmal neu entdecken.
Das ist eine Erfahrung vom letzten Jahr, dass die Leute gesagt haben: Ja, wir haben gedacht, wir kennen das, aber wir haben es einmal ganz neu und ganz anders entdeckt. Ich glaube, das ist das Spannende eines solchen Abends.
Das Interview führte Florian Helbig.