Kölner Köseli ist "irgendwie wacher" im Ramadan

Wenn wenig reicht

Der Ramadan ist kein Diätprogramm, sondern eine Zeit des Teilens und der Spiritualität. Im domradio.de-Interview gibt der Muslim Nuri Köseli von der Hilfsorganisation Islamic Relief Einblick in seinen Fastenalltag.

Ramadan / © Maurizio Gambarini (dpa)
Ramadan / © Maurizio Gambarini ( dpa )

domradio.de: Erklären Sie uns doch bitte, wie Sie im Ramadan fasten?

Nuri Köseli (Islamic Relief): Wir haben heute (06.06.) den ersten Ramadan. Das ist eine Zeit, in der man morgens bis abends, quasi vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang anfängt und aufhört zu fasten. Fasten bedeutet für uns in dieser Zeit – momentan sind es 18 Stunden - nicht zu essen und nicht zu trinken und sich von allen Genüssen, wie Geschlechtsverkehr fernzuhalten.

domradio.de: Das Fasten gilt als eine der fünf Säulen des Islam. Warum ist das Fasten so wichtig für das Glaubensleben?

Köseli: Es ist in der göttlichen Offenbarung so, dass Fasten schon immer zum Glauben dazu gehört hat. So wie es in den anderen Offenbarungen wie im Alten und Neuen Testament gegeben war, ist es auch im Koran eines der Gebote. Es ist eine Zeit der inneren Einkehr, des Konzentrierens, sich auf das Leben danach, auf das Eigentliche und auf Gottesdienste. Man hat dann die volle Konzentration sich dem Gottesdienst zu widmen und auch der Spiritualität, aber auch nachzuempfinden, wie es Menschen geht, die nicht genug zu essen und nicht genug zu trinken haben.

domradio.de: Können Sie diese Form der Konzentration aus eigener Erfahrung beschreiben? Passiert mit dem Körper etwas, wenn man tagsüber aufhört zu essen?

Köseli: Es funktioniert, weil man genug Zeit hat, sich den ganzen Tag mit inhaltlichen Themen, wie beispielsweise mit Gebeten, zu beschäftigen. Man ist nicht mehr damit beschäftigt, das Mittagessen vorzubereiten oder vor der Arbeit um sechs oder sieben Uhr das Frühstück. Man hat wirklich die Zeit und auch den Rhythmus für die inhaltlichen Themen. Während des Ramadan lebt man einen ganz anderen Alltag. Man trifft sich in den Moscheegemeinden, man rezitiert gemeinsam aus dem Koran, man beschäftigt sich auch inhaltlich mit diesen Texten, man hat auch eine globale Form der Solidarität. Fasten bedeutet nicht nur sich fernhalten von den Sachen, die ich aufgezählt habe, es ist auch eine Zeit des Teilens. Man speist zusammen und man speist bedürftige Menschen weltweit durch Spenden. Das ist eines der Themen, die uns als Islamic Relief natürlich beschäftigen.

domradio.de: Das Fasten wird am Abend gebrochen. Der Fastenmonat ist kein Diätprogramm, sondern kann auch mal in die andere Richtung ausschlagen: Dass man plötzlich zunimmt, weil es am Abend reichhaltiger wird. Wie ist das bei Ihnen? Ist das Fasten auch mit dem Arbeitsleben so ohne weiteres zu verbinden?

Köseli: Sicherlich gibt es Tätigkeiten, wo die Kraft einen verlässt und man schneller müde wird als sonst, aber der Körper gewöhnt sich nach den ersten Tagen sehr schnell daran. Ich persönlich habe nicht erlebt, dass man sich weniger konzentrieren kann. Ganz im Gegenteil: Man ist irgendwie wacher. Ich persönlich erlebe es so, dass ich in dieser Zeit abnehme. Ich nehme nicht zu, weil man irgendwann nicht mehr so viel Nahrung aufnehmen kann. Man kommt mit wenig klar und man merkt auch, dass wenig viel sein kann, dass wenig auch genug sein kann. Diese Genügsamkeit lernt man in dieser Zeit.

domradio.de: Kommen wir zum Ende noch auf ihren Arbeitsalltag zu sprechen. Die Hilfsorganisation Islamic Relief ist ihr Arbeitgeber. In über 40 Ländern ist die Organisation aktiv. Was für eine Form von Arbeit, der sie jetzt gleich wieder nachgehen?

Köseli: Wir sind eine humanitäre Hilfsorganisation. Uns gibt es weltweit seit 1984 und seit den 90er Jahren auch hier in Deutschland. Wir engagieren uns in der Humanitären Hilfe und in der Entwicklungszusammenarbeit. Im Ramadan machen wir auf das Thema Hunger aufmerksam. Es gibt immer noch viele Millionen Menschen, die an Hunger leiden. Es sind Menschen, die im Krieg oder in kriegsähnlichen Situationen leben müssen, keine Sicherheit haben und auch in dieser Zeit vielleicht versuchen sich auf das Spirituelle zu konzentrieren und zu fasten. Wir versuchen durch Spendenaktionen, wie auch jetzt im Ramadan zum Thema "Zakat" (Anm. d. Red.: Für Muslime verpflichtende Abgabe eines bestimmten Anteils ihres Besitzes an Bedürftige) Kampagnen zu fahren und Menschen auf diese Solidarität, auf dieses Gemeinschaftsgefühl und dieses Teilen aufmerksam zu machen.  

Das Interview führte Daniel Hauser.  

 


Quelle:
DR