Kölner Oberbürgermeisterin zu Gast in der Vatikanstadt

Die Chancen sehen, nicht die Schwierigkeiten

"Europa: Flüchtlinge sind unsere Brüder und Schwestern" - unter diesem Motto hat der Vatikan ab Freitag europäische Bürgermeister zu einem Gipfeltreffen eingeladen. domradio.de sprach mit Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist ab Freitag zu Gast im Vatikan / © Silvia Ochlast (DR)
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist ab Freitag zu Gast im Vatikan / © Silvia Ochlast ( DR )

domradio.de:  Sie feiern im Vatikan auch Ihren 60. Geburtstag. Was bedeutet das für Sie?

Henriette Reker (Kölner Oberbürgermeisterin): Ich freue mich darauf, in Rom zu sein, weil es immer etwas Besonderes ist. Man fühlt sich dem lieben Gott etwas näher. Ich glaube, dass es gut ist, dass der Vatikan die Städte eingeladen hat, denn sie sind ja letztlich für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig und müssen das ausgleichen, was in Europa und den Mitgliedsstaaten nicht funktioniert. Die Städte können viel voneinander lernen, davon bin ich überzeugt.

domradio.de:  "Flüchtlinge sind unsere Brüder und Schwestern", steht in der Einladung des Vatikans. Können Sie sich mit dieser Formulierung identifizieren?

Reker: Ja natürlich, als Christin kann ich mich damit identifizieren, dass alle Menschen als Brüder und Schwestern bezeichnet werden.

domradio.de: Sie sind getaufte Protestantin, als Schülerin waren Sie in Köln auf dem katholischen Liebfrauengymnasium. Wie schauen Sie auf den Vatikan?

Reker: Ich bin ein konfessioneller Mischling, sage ich immer, gelebte Ökumene. Ich war in Rom als Siebzehnjährige mit dem Gymnasium auf Abschlussreise. Und später hatte ich das Glück bei einer Audienz Papst Johannes Paul II und Papst Benedikt in Regensburg, als er dort noch Hochschullehrer war, zu begegnen. Papst Franziskus ist für mich unkonventionell, empathisch, volksnah, und ich glaube, er ist genau der richtige Mann zur richtigen Zeit, der aufrütteln kann, und für die Kurie, glaube ich, ganz schön anstrengend ist.

domradio.de: Sie werden bei dem Treffen einen Impulsvortrag halten. Was wollen Sie den anderen Bürgermeistern mit auf den Weg geben?

Reker: Ich werde versuchen zu erklären, dass in Köln schon lange vor dieser Flüchtlingsbewegung Rahmenbedingungen geherrscht haben, die es möglich machten, gemeinsam mit vielen, vielen Ehrenamtlichen die Flüchtlinge einigermaßen gut unterzubringen. Ich möchte auch vermitteln, dass die Silvesternacht, das wird ein Thema auf der Konferenz werden, letztlich unsere Willkommenskultur nicht beeinflusst hat. Es ist wichtig, in den Menschen, die zu uns kommen, mehr die Chancen zu sehen als die Schwierigkeiten.

domradio.de:  Am Samstag sind Sie mit den anderen Bürgermeistern zur Audienz mit dem Papst eingeladen. Wie wird dieses Treffen ablaufen?

Reker: Wir werden nachmittags zur Papstaudienz gehen und anschließend in der Cantina des Vatikans essen. Auch das passt zum Papst, nicht ein Restaurant zu mieten.

domradio.de: Was würden Sie dem Papst gerne sagen, wenn Sie die Gelegenheit dazu bekämen?

Reker: Ich würde dem Papst sagen, dass er seine Kraft dafür einsetzen möge, dass die Welt zusammenwächst und es keine größeren Verwerfungen zwischen europäischen und amerikanischen Machtinteressen aufkommen.

domradio.de: Die europäischen Bürgermeister werden in der Flüchtlingsfrage nicht einer Meinung sein. Wird es zu Kontroversen kommen?

Reker: Es wird kontroverse Diskussionen geben. Ich weiß, dass Barcelona sehr zurückhaltend bei der Flüchtlingsunterbringung ist und die Bürgermeisterin von Paris gerne große Flüchtlingszentren vor den Toren der Stadt aufbauen möchte. Da bin ich ganz anderer Meinung. Ich finde, dass die Geflüchteten unter uns leben sollen, auch um die Scheu vor dem anderen zu überwinden. Denn wenn man die Menschen kennenlernt, kann man Verbindungen mit ihnen aufnehmen, und dann werden ganz schnell mögliche Probleme entkräftet.

domradio.de: Der Vatikan hat zu dieser Tagung eingeladen, nicht zum Beispiel die Vereinten Nationen. Ist das ein besonderer Boden für die Gespräche?

Reker: Ja, weil der Vatikan Mitmenschlichkeit ausstrahlt und von der Atmosphäre her mit den Menschen, die einen besonderen Schutz brauchen, einen positiven Umgang herstellt. Früher ist es ja so gewesen, dass viele, die sich um Flüchtlinge gekümmert haben, selig gesprochen wurden. Das würde ich mir heutzutage auch wünschen.

domradio.de: Und wie feiern Sie in Rom Ihren Geburtstag?

Reker: Ich bin keine Geburtstagsfeierin. Ich finde immer, man muss den Müttern gratulieren, die die Kinder geboren haben. Ich freue mich darauf, in einem guten italienischen Restaurant in der Nähe des Vatikans am Abend essen zu gehen, das ich schon kenne.

Das Interview führte Birgitt Schippers


Quelle:
DR