DOMRADIO.DE: Vier Neupriester sollen am Freitag im Kölner Dom geweiht werden. Freuen Sie sich darüber?
Pfarrer Regamy Thillainathan (Regens des Kölner Priesterseminars): Ja, ich freue mich. Ich bin erst seit dem vergangenen Jahr in der Ausbildung und das ist der erste Jahrgang, den ich jetzt begleiten darf. Deswegen ist eine Mischung aus Vorfreude und auch Aufregung, innerer Aufgeregtheit zu spüren. Aber ich freue mich auf jeden Fall.
DOMRADIO.DE: Was sind diese vier Weihekandidaten denn für Menschen?
Thillainathan: Es sind ganz verschiedene Leute. Einer hat direkt nach der Schule für sich entschieden: Das könnte mein Weg sein. Er hat in Bonn und in Regensburg studiert und wird dann einer der jüngsten Priester im Bistum sein.
Es gibt aber auch Männer, die im Berufsleben standen, die schon andere Studiengänge absolviert haben. Wir haben zum Beispiel auch einen promovierten Kirchenjuristen. Also, es ist eine ganz bunte Mischung von gestandenen Männern, die ihre eigene Lebens- und Berufungsgeschichte mitbringen.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich die Zahl der Priesterweihen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Thillainathan: Grundsätzlich geht in der katholischen Kirche die Zahl der Priesterweihen in den vergangenen Jahren zurück. Wir haben im Erzbistum Köln das große Glück, dass die Zahl der Neupriester zwar nicht groß ist, aber stabil bleibt. Die Zahl vier konnten wir in den letzten Jahren halten, teilweise war es noch mehr.
Wir haben vor zwei Jahren einen größeren Jahrgang gehabt, im vergangenen Jahr hatten wir vier. Wir haben dieses Jahr auch vier neugeweihte Diakone im Erzbistum, die im kommenden Jahr, so Gott will, zum Priester geweiht werden. Das scheint eine stabile Größe zu sein.
DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche steckt in einer Krise, die vermutlich auch viele junge Männer zögern lässt, Priester zu werden. Wie schwierig ist so eine Entscheidung und wie viel Unverständnis gibt es da im Umfeld?
Thillainathan: Ich bekomme natürlich ganz viel mit. Vor allem, weil ich auch vorher im Bereich der Jugendarbeit tätig war. Wenn ich aber jetzt auf die Priesterkandidaten schaue, stelle ich fest, dass die große Herausforderung gar nicht darin besteht, Menschen außerhalb der Kirche zu erklären, wieso man diesen Weg geht. Die Schwierigkeit ist, dass sie den inneren Zirkeln immer wieder erklären müssen, wieso sie den Weg gehen. Das, glaube ich, macht vielen schon zu schaffen. Die Unterstützung aus den Kernbereichen unserer Gemeinden schwindet.
Die Krise hat aber auch eine Ursache darin, dass von der Ebene die Bischofskonferenz ganz unterschiedliche Signale kommen, wer und was Priester sein können, sollen, werden und ob überhaupt Priester gebraucht werden. Auch diese Frage steht ja hin und wieder im Raum. Diese ganzen Unsicherheiten aus den eigenen Reihen machen, glaube ich, den meisten mehr zu schaffen als die Gesellschaft.
DOMRADIO.DE: Was sollte denn ein Priesteramtskandidat mitbringen? Worauf achten Sie da?
Thillainathan: Bei den Priesteramtskandidaten achten wir sehr drauf, ob dieser Mensch, der sich auf diesen Weg einlassen will und kann, überhaupt eine Offenheit mitbringt, dass dies vielleicht auch nicht sein Weg sein könnte. Wir begrüßen natürlichen jemanden, der mit einer Überzeugung den Weg geht.
Wir sind aber eher vorsichtig bei Kandidaten, die die Entscheidung, die hier in den nächsten Jahren gefällt werden soll, vorweggenommen haben und nur noch die Zeit absitzen wollen, weil sei meinen, sie wären schon der perfekte Priester. Bei solchen Menschen sind wir eher vorsichtig. Das geht auch dahin, dass wir diesen Menschen doch raten, vielleicht noch mal etwas anderes auszuprobieren, bevor sie den Schritt zu uns wagen.
Wir können keine Menschen gebrauchen, die sich nicht auf einen Weg begeben wollen, an sich und an eigenen Zweifel zu arbeiten, die für die Realität und für die Anfragen des Lebens imprägniert sind. Das muss ich einfach mal in aller Klarheit formulieren.
DOMRADIO.DE: Welches Rolle spielt denn der Missbrauch bei der Priesterausbildung?
Thillainathan: Das Thema Missbrauch ist und wird nicht mehr aus der Priesterausbildung wegzudenken sein. Spätestens seit der MHG-Studie (Die MHG-Studie war ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zum Thema Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, das in den Jahren 2014 bis 2018 von einem Forschungsverbund aus Experten mehrerer universitärer Institute durchgeführt wurde, Anm. d. Red.) ist doch allen klar, dass jeder, der sich auf diesen Weg begibt, dieses Thema immer wieder in Blick nehmen muss. Genau wie die Kirche, die diese Menschen prüfen soll.
Aber wir tun es nicht in dem Sinne, dass wir dann immer wieder thematisch Missbrauch in den Mittelpunkt stellen und alles darum kreisen lassen, sondern dieses Thema muss unter verschiedenen Aspekten angegangen werden.
Eine der wichtigsten Grundlagen für diese Themenstellung ist: Wer bin ich als Mensch? Wie entwickle ich eine reife Persönlichkeit? Und wie integriere ich zum Beispiel auch meine Sexualität in meine Biografie?
All diese Themen müssen mitbedacht werden, wenn wir vom Thema Missbrauch sprechen. Es ist zu wenig, nur von Prävention zu sprechen. Das ist wichtig. Aber dahinter steckt ganz viel, nämlich Persönlichkeitsentwicklung.
DOMRADIO.DE: Sie selbst sind 2009 zum Priester geweiht worden. Was sagen Sie heute? Warum lohnt es sich immer noch, trotz aller Schwierigkeiten und Bedenken Priester zu werden?
Thillainathan: Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass ich auch in Zeiten der Herausforderungen und Enttäuschungen großes Glück gehabt habe. Es wäre fatal zu sagen, in einem Leben gäbe es keine Enttäuschung oder Anfragen an sich selbst. Es ist mein größtes im Leben Geschenk, mit einer inneren Zufriedenheit ins Bett zu gehen und einen Platz in meinem Leben gefunden zu haben.
Mit Menschen zusammen unterwegs sein zu können und mich mit Menschen zusammen auf die Suche nach Gottes Spuren in dieser Welt zu begeben, ist die schönste und vielleicht auch beste Entscheidung im meinem Leben.
Das Interview führte Hilde Regeniter.