DOMRADIO.DE: Können Sie die Frauen verstehen, die sich in der Initiative "Maria 2.0" zusammengeschlossen haben und streiken?
Msgr. Robert Kleine (Kölner Dom- und Stadtdechant und Diözesanpräses der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, kfd): Grundsätzlich kann ich sehr gut verstehen, dass sie sich über manches ärgern und sich sorgen über das, was in der Kirche geschehen ist. Sie haben ja verschiedene Forderungen, die sie nach außen tragen und ich kann sie verstehen: Es sind nämlich Frauen, die nicht außerhalb der Kirche stehen, sondern das ehrenamtliche Engagement mittragen. Diese setzen nun nach außen ein Zeichen.
DOMRADIO.DE: Eine Ursache für den Streik der Frauen ist der Unmut über den Missbrauchsskandal in der Kirche, den ja katholische Männer zu verantworten haben. Ist es verständlich, dass die Frauen sagen: So geht es nicht weiter?
Kleine: Die Frage mit Blick auf den Missbrauchsskandal ist natürlich: Wie wird mit den Tätern umgegangen? Die eine Forderung ist, dass man nicht mehr öffentlich tätig sein darf. Es muss konsequenter aufgearbeitet werden, in unserem Bistum ist man da sehr gut dabei. Kürzlich hat ja auch der Papst neue Ordnungen zu den Missbrauchsfällen erlassen. Aber darüber hinaus geht es natürlich auch um die Frage: Wie geht die Kirche ihren Weg in die Zukunft? Was gibt es für Themen? Was ist mit Gleichberechtigung, was mit Partizipation?
Der Synodale Weg, den die Bischofskonferenz vorschlägt, ist schon ein guter Punkt. Und hier sagen die Frauen: "Halt, wir wollen hier auch mitmachen! Wir haben auch Themen und möchten jetzt aktiv mitarbeiten!" Es ist ja keine Bewegung, die gegen die Kirche ist, sondern vielmehr möchte, dass die Kirche eine gute Zukunft hat. Und die Frauen sind bereit an und mit dieser Zukunft mitzuarbeiten.
DOMRADIO.DE: Nun fordern die Frauen die Zulassung zu allen katholischen Weiheämtern. Aber das kann ja gar nicht in Deutschland entschieden werden. Ist also gar nicht zu realisieren, was die Frauen fordern?
Kleine: Ja, ich sehe das als ein kleines Handicap dieser Aktion. Auch das Bestreiken von Gottesdiensten – gerade am Sonntag – sehe ich etwas kritisch. Man geht ja nicht am Sonntag wegen des Priesters in die Kirche und man bleibt nicht weg, weil der Priester ein Mann ist. Eigentlich geht es darum, dass man eine Gemeinschaft der Kirche in Christus hat. Aber eigene Gottesdienste zu feiern, die auch den Forderungen noch einmal Nachdruck verleihen und um den Geist der Unterscheidung zu bitten, das befürworte ich sehr.
Die andere Sache ist, dass viele Themen unter Maria 2.0 behandelt werden – etwa die Zulassung zu allen Ämtern. Zum Diakonat gibt es Diskussionen. Papst Johannes Paul II. hatte die Diskussion für beendet erklärt, aber selbst unter den Theologen und Bischöfen gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen. Da ist es eigentlich ganz gut, dass die Frauen ihre Sichtweisen noch einmal klar formulieren und mit in diesen synodalen Weg hineinnehmen. Aber klar muss sein: Entschieden wird das nicht in Deutschland, sondern letzten Endes in Rom.
DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche ist ohne die vielen engagierten katholischen Frauen nicht existenzfähig. Was kann und muss sich denn tun, damit es da zu mehr Gleichberechtigung kommt?
Kleine: Als Präses der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands erlebe ich viel Gottesdienstgestaltung und Leitung durch Frauen. Dass das Karitative, was Frauen tun, auch wertgeschätzt wird. Und dass es nicht daran hängt, dass der Pastor das abnickt, sondern – wie auch unser Erzbischof sagt – wir als Getaufte und Gefirmte den Auftrag haben, das Evangelium zu verkünden und Christus berührbar zu machen. Das machen Frauen in vielfältiger Weise. Wertschätzung ist wichtig. Zu sagen: "Ihr als Getaufte seid Partnerinnen auf dem Weg der Kirche - die eine Kirche der Communio, der Gemeinschaft, ist."
Ich glaube, es gibt so viele Verletzungen in der Kirche – auch seitens Frauen. Dass sie nicht für voll genommen werden, dass gesagt wird: "Ihr seid nicht geweiht. Ihr seid zwar getauft, aber da fehlt noch etwas." Ich glaube auch, dass es in der Kirche unterschiedliche Ämter geben muss und weiterhin geben wird. Aber das ändert nichts daran, dass Frauen eine wichtige Rolle haben und wir die Rollen noch einmal neu definieren müssen. Maria 2.0 bezieht sich einmal auf Maria, die Mutter Gottes, zum anderen auf Maria von Magdalena, die erste Apostelin. Sie war die erste Zeugin der Auferstehung und wurde von den Männern zuerst nicht für voll genommen. Diese Zeit muss vorbei sein. Daran erinnert, glaube ich, der Name Maria 2.0.
Das Gespräch führte Dagmar Peters.