"Jeder Mensch ist doch ein König!", sagt Essens Domvikar Bernd Wolharn. Für ihn verkörpern Ralf Knoblauchs aus Holz geschnitzte Königsskulpturen perfekt das Prinzip Menschenwürde. Mit geschlossenen Lidern blicken sie tief nach innen, verletzlich und in sich ruhend zugleich.
Da ist nichts von hochherrschaftlichem Machtanspruch, dafür ganz viel Freundlich- und Friedlichkeit. Weil er diese kleinen Könige und Königinnen so ansprechend findet, hat Bernd Wolharn gemeinsam mit der Leiterin der Domschatzkammer, Andrea Wegener, 20 von ihnen nach Essen geholt; seit Aschermittwoch und bis Ostermontag stehen sie im Foyer der Domschatzkammer und im Dom selbst.
"Herzlich willkommen, schön, dass du da bist", scheint zum Beispiel der König direkt an den Stufen zum Altarraum zu sagen. An der rechten Wand des Kirchenschiffs thronen gleich fünf Figuren - in individuellen Haltungen, eine meditativ sitzend, eine posiert in Schrittstellung, kerzengerade erscheint die Königin im weißen Kleid. Sie alle haben goldene Kronen dabei, teils ganz klassisch auf dem Kopf, teils demütig vor oder hinter sich gesetzt.
Hingucker
Ein echter Hingucker steht hoch oben auf der Empore im Westwerk aus ottonischer Zeit: Knallrot gewandet und mit üppigen Körperformen schaut diese Königin nicht nur auf die Besucher herab, sondern wirft gleich noch einen imposanten Schatten auf die hinter ihr liegende Wand. Dass sie genau dort ihren Platz gefunden hat, von wo aus einst die Stiftsdamen die heilige Messe verfolgten, reiht sie organisch ein in die über 1000-jährige Geschichte des Essener Doms als mächtiger Frauenstift im Herzen der Stadt.
Das gefällt besonders Besucherinnen. Als Frau, erzählt eine Dame aus Duisburg, fühle sie sich in der katholischen Kirche immer wieder benachteiligt. An den "Knoblauch-Königinnen" rühre sie besonders die Ruhe und Harmonie der Gesichter, ihre Einfachheit. "Besonders die Königinnen zeigen mir: Ich bin wertvoll, ich kann aufrecht stehen, voll Würde."
Schnitzen wie beten
Die eigene Würde ebenso neu zu entdecken wie die der anderen - als Einladung dazu will der schnitzende Diakon seine Arbeiten denn auch verstanden wissen. Seit er einst im Kroatienurlaub seinen ersten König aus einem Stück Treibholz gewirkt hat, ist die Schnitzerei längst fester Bestandteil seines Tagesablaufs. Noch bevor Ralf Knoblauch sich in seiner Bonner Gemeinde Thomas Morus der Seelsorge widmet, arbeitet er jeden Morgen früh um fünf an neuen Figuren. "Für mich ist das wie Beten!" Seine Skulpturen sieht er dementsprechend weniger als Kunstobjekte denn als Botschafter der immer wieder gleichen Idee: Menschenwürde zeigen und vertreten, fordern und fördern.
In die vorösterliche Bußzeit passen seine Könige gut, meint Knoblauch. Schließlich regen sie in seine Augen dazu an, gerade jetzt zu fragen: "Wie ist das mit dem König in mir? Wie gehe ich damit um? Entdecke ich dieses Königsein oder die Königswürde überhaupt noch? Hat das eine Relevanz in meinem Handeln?"
In Kirchenräumen hat Ralf Knoblauch seine Skulpturen natürlich schon oft ausgestellt. Dass sie jetzt bis zum Osterfest im Dom zu Essen zu sehen sind, freut ihn aus ganz persönlichem Grund. Als gebürtigem Bottroper ist ihm nicht nur das Ruhrgebiet sehr nahe, sondern auch sein Herkunftsbistum Essen.