Kolping will zu Schengen-Jubiläum neue EU-Migrationspolitik

"Die Außenmauern werden höher"

Vor genau 25 Jahren einigten sich die ersten Staaten auf das Schengener Abkommen - der Beginn des Endes von Grenzkontrollen innerhalb Europas. "Ein beeindruckendes Zeichen", erinnert sich Hubert Tintelott, Europasekretär bei Kolping International. Die Folgen des Zusammenwachsens Europas für die angrenzenden Länder beurteilt er gegenüber domradio.de allerdings mit Sorge.

 (DR)

domradio.de: Wie erinnern Sie sich an den 14. Juni 1985 - den Tag, an dem das Übereinkommen von Schengen entstand?
Tintelott: Emotional war das natürlich ein sehr beeindruckendes Zeichen: Wir wachsen weiter zusammen in Europa. An den Tag selber erinnere ich mich allerdings nicht wirklich. Was ich aber bis heute dankbar zur Kenntnis nehme, ist die Erleichterung, die das Abkommen mit sich brachte: die Grenzbäume wurden weniger, man konnte leicht von einem Land ins andere, ohne den Ausweis vorzeigen zu müssen. Das hatte und hat auch unmittelbare positive Konsequenzen für unsere Arbeit.

domradio.de: Sie sprechen von einem beeindruckenden Zeichen. Hat sich das Signal von Schengen bewahrheitet?
Tintelott: Ja,  Europa ist tatsächlich stärker zusammengewachsen. Auch die Befürchtungen einiger Länden vor der Osterweiterung vor drei Jahren, als acht Staaten dem Abkommen beitraten, haben sich nicht bewahrheitet. Die Kriminalität an den diesen Grenzen ist nicht deutlich gewachsen. Europa kann gemeinsame Sicherheit garantieren. Es hat sich auch gezeigt, dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern als Unterschiede gibt.
Das Abkommen von Schengen steht entgegen der aktuellen Tendenz in einigen Ländern, wieder stärker den Nationalisten zuzuhören, wie wir das bei den Wahlen in Holland gerade erlebt haben.

domradio.de: Das Abkommen ist Teil einer europäischen Einwanderungspolitik, die viele kritisieren, auch die Kirchen.
Tintelott: Schengen hat die Außenmauern Europas vom Inneren weiter an den Rand geschoben. Dort allerdings werden die Mauern immer höher. Die Anrainer, die schwachen Staaten am Rand haben die Last der Grenzsicherung Europas zu tragen. Für sie ist das eine Belastung. Die Qualifizierten dieser Länder kehren ihrer Heimat den Rücken zu und machen sich nach Europa auf - meist illegal. Das bringt Probleme für beide Seiten mit, wie wir bei unserer Arbeit feststellen müssen: Auf der einen Seite bleiben die Alten und Kinder zurück, auf der anderen werden die Menschen ausgebeutet. Als Illegale werden sie schlecht bezahlt, schlecht untergebracht, kurz: schlecht behandelt.

domradio.de: Was muss sich ändern?
Tintelott: Wir brauchen eine Einwanderungspolitik mit einheitlichen Kriterien und Regeln. Ich bin nicht für offene Grenzen, aber die Arbeitsmigration innerhalb Europas muss geregelt werden - auch von außen. Wir sind auf  Einwanderer angewiesen. Wie wir die die Einwanderung genau steuern, ist die andere Frage.

Das Gespräch führte Michael Borgers.

Hintergrund:
Am 19. Juni 1990 regelte das zweite Schengener Abkommen die innere Reisefreiheit zwischen den Partnern. Seit 1995 ist das Abkommen in Kraft. Auf Zoll- und Handelsschranken verzichten mittlerweile 25 Staaten der Europäischen Union. 2005 wurde Schengen III unterzeichnet, ein Vertrag der die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration vorsieht.