"Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass Missbrauch, zumindest in bestimmten kirchlichen und verbandlichen Ebenen, bekannt gewesen sein muss", erklärte der Geschäftsführer des Diözesanverbandes, Uwe Slüter, am Dienstag in Münster. "Missbrauch ist Menschenvergehen, für Täter wie für Schweigende."
Missbrauchsstudie veröffentlicht
Forschende der Universität Münster hatten vergangene Woche eine Aufarbeitungsstudie zu sexueller Gewalt durch Geistliche in der Diözese veröffentlicht. Darin beschreiben sie auch den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters, der Ende der 1960er-Jahre in hoher Position für das Kolpingwerk tätig war.
Während dieser Zeit soll er sich - wie bereits zuvor - an Minderjährigen vergangen haben. Viele Taten hätten sich im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Arbeit in einem Kinderheim zugetragen.
Anfang der 1970er-Jahre wurden dem Bistum laut Studie Anschuldigungen gegen den Priester bekannt. Der Geistliche habe eine mehrwöchige Auszeit genommen und sei dann wieder in Pfarreien eingesetzt worden, wo es zu weiterem Missbrauch gekommen sei.
Den Forschenden zufolge waren die Vorwürfe vermutlich mehreren Bistumsverantwortlichen und weiteren Personen bekannt, etwa den Ordensschwestern im Kinderheim und einer Haushälterin des Priesters.
Nachdem 2010 die Presse über den Fall berichtete, untersagte Bischof Felix Genn dem Geistlichen die Ausübung der priesterlichen Dienste.
Schweigen und Wegschauen?
Der Vatikan verzichtete wegen einer Demenzerkrankung des Geistlichen auf weitere Schritte. Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen wegen Verjährung ein.
"Wir werden wohl davon ausgehen müssen, dass auch Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen des Diözesanverbandes durch Schweigen und Wegschauen Missbrauch begünstigt haben", erklärte Kolpingwerk-Geschäftsführer Slüter. Der Sozialverband forderte die Einrichtung einer staatlichen Aufarbeitungskommission und ein Ende des Klerikalismus.
"Die vielfach von Geweihten selbst als auch durch Christen empfundene Unantastbarkeit gegenüber Priestern muss einem Bürgerpflichts-Denken weichen", so das Kolpingwerk. Es stellte sich hinter den Maßnahmenkatalog, den Genn nach Vorstellung der Studie bekannt gegeben hatte.