Kolumbiens FARC-Guerilla unter Beschuss

Turbulente Zeiten im Friedensprozess

Gut eineinhalb Jahre nach Unterzeichnung des Friedensvertrags in Kolumbien gibt es Probleme an verschiedenen Fronten. Die Anzeichen für eine Remilitarisierung der FARC-Guerilla wachsen.

Fahne der Guerilla-Organisation FARC / © Tobias Käufer (KNA)
Fahne der Guerilla-Organisation FARC / © Tobias Käufer ( KNA )

Als FARC-Chef "Timochenko" und Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos Ende 2016 nach mehrjährigen Verhandlungen und vielen Rückschlägen den Friedensvertrag unterzeichneten, verweigerten sich gerade einmal 200 bis 300 Rebellen dem historischen Kontrakt. Sie zogen es vor, weiter für eine marxistische Revolution zu kämpfen. Inzwischen hat sich die Zahl laut Schätzungen verschiedener Organisationen auf rund 1.200 "Dissidenten" vervierfacht. Nicht der einzige Warnschuss, den die kolumbianische Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen muss.

Jüngst wurde Ex-FARC-Kommandant Jesus Santrich wegen Verdachts auf Drogenhandel festgenommen. Der ranghohe Funktionär der inzwischen entwaffneten Guerilla-Organisation soll dabei überwacht worden sein, als er eine Lieferung von zehn Tonnen Kokain in die USA angeboten habe. Die Ermittlungen stützen sich auf abgehörte Gespräche sowie auf Informationen der US-Drogenfahnder. Im Gegenzug soll Santrich eine Zahlung in Millionenhöhe in Aussicht gestellt worden sein.

Krieg mit Worten

Der bestreitet die Vorwürfe der kolumbianischen und US-amerikanischen Ermittler. "Durch die Nase des Staatsanwalts ist mehr Kokain gegangen als durch meine Hände", so der "Popstar" der FARC sarkastisch. Teile der FARC-Basis und der Spitze stellen sich hinter Santrich.

Allerdings offenbart der Fall Risse in der Kommandostruktur der ehemaligen Guerilla, die inzwischen eine politische Partei ist. Dass sich zudem ein Familienangehöriger der Nummer zwei der FARC, Ivan Marquez - der ebenfalls im Fokus der Ermittler steht - mit den US-Behörden einigte und in den USA gegen Santrich aussagen will, zehrt an den Nerven der FARC-Spitze. Dessen Aussagen dürften politische Sprengkraft haben.

Scharfe Kritik

Das alles könnte den zunehmenden Entfremdungsprozess der FARC-Basis, die weiter in den Übergangslagern auf eine berufliche Zukunft hofft und sich vom Staat als auch ihrer politischen Führung im Stich gelassen fühlt, weiter vorantreiben. Während die FARC-Führung mit garantierten Sitzen im Parlament versorgt ist, wächst an der Basis die Ungeduld angesichts fehlender Perspektiven.

FARC-Sprecher Marquez kritisierte das Vorgehen der Behörden scharf. Die Verhaftung Santrichs sei der bislang schwerste Rückschlag für den Friedensprozess. Allerdings ist seine Position hinter FARC-Chef "Timochenko" durch die Korruptionsermittlungen gegen seinen Neffen stark geschwächt.

Blutige Anschläge

Geschwächt wird die Position der FARC in der kolumbianischen Gesellschaft auch durch einige blutige Anschläge von Dissidenten. So wird einer abtrünnigen Splittergruppe der FARC die Ermordung von drei Mitarbeitern der ecuadorianischen Tageszeitung "El Comercio" im kolumbianisch-ecuadorianischen Grenzgebiet angelastet.

Die andauernde Gewalt in der Region veranlasste die Regierung in Quito zu einer schwerwiegenden Entscheidung: Ecuador steht ab sofort nicht mehr als Garantiemacht und Gastgeber der Friedensgespräche Kolumbiens mit der ELN-Guerilla, der zweitgrößten Rebellengruppe des Landes, zur Verfügung.

Ausreichendes Durcheinander

"Ich habe das Außenministerium gebeten, die Gespräche mit der ELN zu stoppen, solange sie nicht ihre terroristischen Aktivitäten einstellt", erklärte Ecuadors Präsident Lenin Moreno unter der Woche.

Auch die ELN-Spitze scheint trotz des Friedensprozesses ihre Kämpfer nicht wirklich disziplinieren zu können. Dass es zudem auch noch zu Kämpfen unter den FARC-Dissidenten und den ELN-Einheiten kommt, verkompliziert die Lage zusätzlich.

Und als ob dieses ganze Durcheinander nicht ausreichen würde, erhebt Moreno auch noch schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgänger Rafael Correa. Er kündigte an, dass die Justiz die Echtheit eines Videos überprüfe; es soll zeigen, wie Correa Geld der FARC für seinen Wahlkampf angenommen habe. Correa bestreitet die Vorwürfe. Bei diesem Jeder gegen Jeden droht der lang ersehnte Frieden auf der Strecke zu bleiben.


Die Guerilla-Organisation FARC in Kolumbien / © Mauricio Duenas Castaneda (dpa)
Die Guerilla-Organisation FARC in Kolumbien / © Mauricio Duenas Castaneda ( dpa )
Quelle:
KNA