Kongo-Konferenz vor 125 Jahren führt zu Wettlauf um Kolonien

Kampf um Platz an der Sonne

Afrikaner waren nicht geladen. Und das, obwohl es um ihren Kontinent ging. Am 26. Februar 1885 ging im Berliner Reichskanzlerpalais die sogenannte "Kongo-Konferenz" zuende.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Kein diplomatisches Ereignis wurde so sehr zum Symbol der Aufteilung Afrikas. Den Tagungsort beherrschte quasi seit Beginn der Verhandlungen am 15. November 1884 eine fünf Meter hohe Wandkarte des afrikanischen Kontinents. Unter ihr versammelten sich die Vertreter von 13 europäischen Staaten sowie der USA und des Osmanischen Reiches auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck, um über das Schicksal Afrikas zu beraten.

Kein diplomatisches Ereignis ist so sehr zum Symbol der Aufteilung des Kontinents geworden: Die Konferenz löste einen beispiellosen Wettlauf um die noch nicht besetzten Gebiete aus. Innerhalb weniger Jahre waren mehr als 90 Prozent Afrikas unter den europäischen Mächten aufgeteilt - bis auf Äthiopien und Liberia. Mehr als 100 Millionen Afrikaner gelangten unter europäische Herrschaft. Auch Deutschland sicherte sich seinen "Platz an der Sonne" und trat in die Reihe der Kolonialmächte ein.

Schon im 16. Jahrhundert hatten die Europäer begonnen, Besitzansprüche auf dem Kontinent geltend zu machen: als erste die Portugiesen in Mosambik und Angola, dann die Holländer ab 1652 auf der Kaphalbinsel in Südafrika. Später sicherten sich Frankreich und Großbritannien Gebiete in großem Stil.

Anerkennung der deutschen Kolonialerwerbungen
Ziel Bismarcks bei der von ihm initiierten Konferenz war es vor allem, die rasante Okkupation durch diese beiden Staaten zu bremsen und Ansprüche anderer Mächte zur Geltung zu bringen. Dass der Kanzler als Vermittler und Berlin als Konferenz-Standort akzeptiert wurden, war ein großer Erfolg, bedeutete es doch die Anerkennung der deutschen Kolonialerwerbungen.

Konkret ging es in Berlin darum, zumindest das riesige Zentrum Afrikas - das Kongobecken - nicht aufzuteilen, sondern als eine Art Freihandelszone für alle zu sichern. Freie Schifffahrt auf den großen Flüssen und Missionsfreiheit gehörten ebenfalls zu den Zielen. Deshalb wurde die riesige Region der privaten Kongo-Gesellschaft des belgischen Königs Leopold II. überlassen.
Diese Lösung scheiterte jedoch vollständig, weil der Monarch sich nicht an die Vereinbarungen hielt. Seine Herrschaft nahm mit der Ermordung hunderttausender Afrikaner derartig skandalöse Formen an, dass Belgien den König 1908 enteignete.

Direkter Auslöser für den viel zitierten Wettlauf um Afrika war das auf der Konferenz verabschiedete Regelwerk, das für eine friedliche Regelung von Interessenkonflikten der Europäer sorgen sollte. Die Hauptregel besagte, dass es fortan nicht mehr genügen sollte, an der Küste einige Flaggen zu hissen, sondern dass auch im Hinterland Elemente einer sichtbaren Herrschaft errichtet sein müssten, etwa Militär- oder Polizeistationen. Das führte dazu, dass Besitzstände neu abgegrenzt und Grenzen mit dem Lineal gezogen wurden - ohne Rücksicht auf die Lebensräume afrikanischer Völker.

Vergleichbar kurze Episode
Von den hehren Zielen der Konferenz, die sittliche und materielle Wohlfahrt der Einheimischen zu fördern, blieb wenig übrig. Obwohl sich die Europäer verpflichteten, den Sklavenhandel zu bekämpfen, blieben Menschenraub, Zwangsarbeit, Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung - auch in den vom Deutschen Reich beherrschten Gebieten des heutigen Namibia, Togo, Kamerun, Tansania, Burundi und Ruanda. Die deutsche Anwesenheit in Afrika blieb aber letztlich nur eine vergleichbar kurze Episode. Mit dem Versailler Vertrag 1919 verlor das Reich nach nur drei Jahrzehnten alle seine Kolonien.

Im Gedächtnis der Deutschen ist dieser Teil der Geschichte weithin vergessen. Zum 125-jährigen Gedenken der Kongo-Konferenz forderten deshalb zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschafter und Politiker von Grünen, SPD und Linken einen grundlegenden Wandel in Deutschlands Erinnerungspolitik. Dazu gehörten vor allem eine Aufarbeitung der Verbrechen des deutschen Kolonialismus sowie eine öffentliche Diskussion über ideelle und materielle Wiedergutmachung.